Die Sägeindustrie leidet unter Borkenkäfer und Klimawandel, die Sachgüterindustrie ist gebeutelt von Corona-bedingter Nachfrageschwäche und Hürden bei Liefer- und Leistungsketten.

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Der neuerliche Lockdown macht die Hoffnungen auf eine rasche wirtschaftliche Erholung zunichte. In der Industrie, nach dem Sommer noch optimistisch, füllen sich die Auftragsbücher nur sehr zäh, rund die Hälfte ist vom Lockdown betroffen, allen voran Nahrung/Genuss und Bekleidung/Wäschereien, die vom Tourismus besonders abhängig und von dessen Darniederliegen besonders betroffen sind.

Der Rest fürchte um die Aufrechterhaltung von Liefer- und Leistungsketten, leide aber jedenfalls unter Grenzkontrollen und den ausbleibenden Pendlern unter den Beschäftigten, verlautet aus der Sektion Industrie in der Wirtschaftskammer. Pessimismus und Frust schlagen sich in der soeben erstellten Blitzumfrage unter den Industriebetrieben nieder: Ein Viertel der Betriebe nutzt die Kurzarbeit, jeder Dritte plane Personalabbau im kommenden Jahr, erfuhr DER STANDARD von Branchenvertretern.

Alles geht zurück

Wo die Einschätzung für das Jahr 2021 noch positiv gewesen sei, gehe seit dem Lockdown wieder alles zurück – obwohl der Auftragseingang zuletzt nicht schlechter gewesen sei als im Sommer, heißt es in der Unternehmervertretung. Ein Teil der Mitglieder komme aktuell nicht einmal auf die 30 Prozent Mindestarbeitszeit in der Kurzarbeit.

Besserung ist nur bedingt in Sicht, denn wohl kommen aus der deutschen Industrieproduktion positive Impulse und vor allem aus China. Italien, Frankreich und die USA als wichtige Exportmärkte ließen derzeit aber aus.

Die aktualisierte Schätzung des Wirtschaftsforschungsinstitutes für den Nationalrat verstärkt den Pessimismus: Die deutliche Erholung nach dem dramatischen Einbruch der Konjunktur im Frühjahr und dem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit dürfte sich aufgrund des neuerlichen Lockdowns spürbar abschwächen. Die Wirtschaftsleistung heuer dürfte nicht um 6,8 Prozent sinken, sondern um 7,7 Prozent. Statt eines Wachstums um über vier Prozent sagt das Wifo für 2021 nur noch ein Plus von 2,8 Prozent voraus. Dabei unterstellt das Wifo, dass der aktuelle Lockdown bis Mitte Dezember verlängert wird und dann nach und nach gelockert wird.

Vorausgesetzt, dass es 2021 zu keinem weiteren starken Anstieg des Infektionsgeschehens kommt. Nur unter dieser Voraussetzung sei auch ein leichter Rückgang der Arbeitslosigkeit zu erwarten.

Das ebenfalls errechnete "Risikoszenario" gilt in der Politik als Horrorvorstellung: wie sich die Wirtschaftslage entwickelt, wenn Österreich den aktuellen Lockdown verschärfen müsste und ähnlich wie im März neben Freizeitindustrie auch der Handel zugesperrt werden müsste. In diesem "Risikoszenario" würde die Wirtschaftsleistung heuer gar um fast zehn Prozent einbrechen und im kommenden Jahr so gut wie gar nicht steigen. Dann würde auch die Arbeitslosigkeit weiter steigen statt zurückgehen.

EU verlässt Erholungskurs

Die EU-Kommission rechnet nicht mehr mit einer schnellen Konjunkturerholung. Die zweite Welle an Neuinfektionen sorge derzeit für noch mehr Unsicherheit, sagte Kommissionsvize Valdis Dombrovskis am Donnerstag. "Die Wirtschaftsleistung der EU-Länder wird das Vorkrisenniveau vor 2022 nicht wieder erreichen."

In der Herbstprognose der Kommission wurden die Schätzungen für 2020 teils deutlich angehoben, für 2021 aber klar zurückgenommen. Im Sog der Schwergewichte Frankreich, Italien und Spanien wird der historische Einbruch heuer auf 7,4 Prozent taxiert, 2021 dürfte es um 4,1 Prozent nach oben gehen, 2022 um 3,0 Prozent – vorausgesetzt, es gibt kein Freihandelsabkommen mit Großbritannien. (Luise Ungerboeck, 6.11.2020)