Der Staat gewinnt für einen Augenblick einen familienähnlichen Charakter. Für uns. Für mich. Der Abstand zueinander ist vermindert. Für einen Augenblick. Und. Dieser Augenblick ist ausbeutbar.

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Es ist nicht neu. Die Formen sind anders. Bei 9/11 hatte ich noch ein Adressbüchlein, aus dem ich die Telefonnummern der Freunde und Freundinnen in New York her aussuchen musste. 2005 in London. Da waren die Nummern im Handy eingespeichert. Da waren wir gerade alle in Cornwall zusammen, und Anna und Matthew versuchten, ihre Kollegen und Kolleginnen zu erreichen. Das Attentat hatte die U-Bahn-Linie betroffen, die zu ihrem Arbeitsplatz führte.

Die Nachricht von einem Attentat. Da wird der Kopf so hell. Die Umgebung rutscht weg. Eine Leere. Innen und außen. Alle Gedanken und keine Gedanken. Angst. Ich finde dann die Telefonnummer nicht. Oder der Name eines besten Freunds ist verloren. Die Suche nach den Nummern. Ob im Adressbüchlein oder unter Kontakte. Die Suche bleibt fahrig. Verwirrt. Die Buchstaben verschwimmen. Die Finger finden die Tasten nicht.

2017 in London. Auf Westminster Bridge. Annas Arbeitsplatz war da gleich nebenan gewesen. Die Angst um die geliebte Person. Die geliebten Personen. Bis zur Entwarnung wissen wir alles über alles Leid. Und immer ist das alles, was an Leid möglich ist.

Am 2. November. Ich bekam die Nachricht erst um 11.00 Uhr. Eine Whatsapp-Frage aus London schreckte mich auf. Ob alles in Ordnung sei. Die Katastrophe. Sie ist immer ihr eigener Superlativ. Aller Schreck dann. Die Erfahrung der Katastrophe setzt die Zeitrechnung aus. Die Leere erstreckt sich immer gleich. Und dann der Bericht. Die Wirklichkeit und ihre Wahrheit.

Die Nachricht von einem Attentat. Da wird der Kopf so hell.
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Bis zur Entwarnung wissen wir alles über alles Leid. Diese Angst. Das ist unser Mittel, die Ereignisse zu verstehen. Angst versetzt in jenen umfassenden Zustand, der seine eigene Erkenntnis ist. Angst ist ein Erkenntnisinstrument. Angst um sich und umeinander.

Angst um das Kind. Die Kinder. Die geliebte Person. Die geliebten Personen. Um jeden und jede. Es ist das Beste in unseren Leben, das uns so verletzlich macht. Und Angst ist der erste Schritt in unserer Erpressung in Unterwerfung. Angst ist das Mittel, uns in Schach zu halten. Wir haben viel zu verlieren. Mehr als andere anderswo. Wie soll das nun gehen, das Viele, das wir haben, in der Form weiterhin haben zu können, ohne in den Krieg einzugeben.

Wir haben mehr zu verlieren

Nun. Angst ist für uns kulturell christlich-postchristlich ins Katholische gezähmt. Die Angst vor dem Tod ist in der Vorstellung des ewigen Lebens aufgehoben. Der neutrale Staat Österreich erzieht zwar junge Männer zu Soldaten. Die müssen dann im Grenzschutz gegen die Migration durchaus Gewalt anwenden. Aber Krieg kennen wir und sie nicht.

Von rechter Seite wird das als Verwöhnung angesehen. Eine Verweichlichung wird da angeprangert. Ich finde, wir haben uns seit dem Zweiten Weltkrieg eine ansäkularisierte Kultur gegen die institutionalisierte Angst in Staat und Kirche erarbeitet, die persönliche Gefühle ernst nehmen kann. Das ist eine Eroberung. Die Vergesellschaftung des persönlichen Gefühls ist auch ein Schritt zur Geschlechtergerechtigkeit, wenn ein Mann weinen darf und die Tränen nicht nur den Frauen zugestanden werden.

Die Erfahrung der Katastrophe setzt die Zeitrechnung aus.
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Das bewies sich mir in Facebook-Postings. Die Betroffenheit konnte von allen vorbehaltlos ausgedrückt werden. Die sprezzata disinvoltura der militaristischen Klasse der Monarchie mit ihren zynisch-stoischen Kommentaren findet sich nur noch bei sehr alten Personen. Oder identitären Spöttern.

Betroffenheit. Tiefe persönliche Betroffenheit ist nämlich ein demokratisches Ereignis. Wenn jeder und jede ihre eigenen Gefühle haben und ausdrücken kann, dann ist das der Auftritt des Verantwortungssubjekts. Und wenn diese Betroffenheit sich nicht mehr auf das Geschlecht der Person zurückführen lässt, dann ist das umso demokratischer.

Wenn ein Mann genauso posten kann, er sei traurig, wie Frauen das immer schon konnten. Dann ist ein Gemeinsames hergestellt, von dem aus Politik anders erfolgen könnte. Rechte Ideologien müssen das ablehnen, um ihre Form der Männlichkeit erhalten zu können.

Wir hätten alle da sein können

Am Montag. Wir hätten alle da in der Innenstadt herumgehen können. Es war der linde Abend dafür, in der Innenstadt zu flanieren. Noch schnell urbanes Leben hamstern, bevor die Covid-19-Angst die Hauptrolle bekommen sollte. Es wäre logisch gewesen, am Abend vor der Wahl in den USA zur Erholung davor noch einmal bei der Ruprechtskirche im Freien beim Abendessen zu sitzen.

Noch schnell urbanes Leben hamstern, bevor die Covid-19-Angst die Hauptrolle bekommen sollte.
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Noch einmal ins Restaurant, bevor das Leben ohne Abende beginnen müsste. Wir hätten alle da sein können, und der Attentäter wusste das. Wir sind in unserem städtischen Alltag getroffen. In unseren Gewohnheiten. Unser Verschwinden in den Lockdown. Gleich danach.

Gleich danach in die Wohnungen gezwungen. Separiert und fein aufgeteilt. Ich sitze wie vertrieben da. Terror und Staat. Eine doch sehr überwältigende Mischung. Die Angst hat sich in Scham und Trotz verwandelt und ist trotzdem geblieben.

Gleich nach dem betroffen großen Verständnis für die Opfer kommen ja dann die Scham und mit ihr der Trotz. Gerade noch waren wir miteinander im innigsten Verständnis voneinander in dieser Situation verbunden. Wir waren einig. Wir waren miteinander einig im Schock. Dann aber.

Gleich danach. Dieses verbindende Wissen zerfällt, und die Reaktionen beginnen. Die Betroffenheit ist eine Antwort. Nach dem Schock. Nach der Auflösung der Schockstarre. Die Scham und der Trotz beginnen. Die Wut und die Hilflosigkeit. Alle Affekte in einem oder einer geraten zur Oberfläche. Es tobt. Und dieses Toben. Es ist wohl dieser Zustand, der politisch ausbeutbar ist.

Betroffenheit ist möglich

Während die Betroffenheit öffentlich nur die allermagersten Formeln hat und kaum je sich eine Person findet, die glaubwürdig ihr Mitgefühl ausdrücken kann. – Ich bin sehr dankbar für das ruhig-würdevolle Sprechen des Bundespräsidenten. – Während Betroffenheit von rechts als weibisch diskreditiert den öffentlichen Männern weiterhin nicht zur Hand ist. Die Scham. Der Trotz. Die Wut. Die Hilflosigkeit als Hass.

Die Betroffenheit ist ja erst sehr neulich möglich und nicht gefestigt.
Foto: APA / Hans Punz

Da kann so ein öffentlicher Mann öffentliche Männlichkeit an den Tag legen. Und. Das ist männertraditionellerweise der Zustand des Bürgers, von dem er männertraditionellerweise immer schon abgeholt werden konnte. Der Untertan hatte ja noch keine Gefühle. Die wurden über ihn bestimmt.

Die Betroffenheit ist ja erst sehr neulich möglich und nicht gefestigt. Die Demokratie muss sich noch einmal in dem Augenblick nach dem Reaktionsnotstand des Schocks beweisen. In dem Augenblick, in dem die Verletzlichkeit die Affekte abruft.

Dann, wenn das gemeinsam Gefühlte ins einzeln Gefühlte zerbricht. Dann kommt die Öffentlichkeit daher. Die Versprachlichung beginnt und damit die öffentliche Deutung. Die Gefühle der Einzelnen werden wegformuliert. Eine staatsbestimmende Situation entsteht. Denn. In einer derartigen Situation. Wenn Personen ihres Lebens beraubt wurden. Inmitten unserer Welt. Und. Weil wir guten Willens sind, verfallen wir in ein persönliches Verhältnis mit der Öffentlichkeit.

Der Staat gewinnt für einen Augenblick einen familienähnlichen Charakter. Für uns. Für mich. Der Abstand zueinander ist vermindert. Für einen Augenblick. Und. Dieser Augenblick ist ausbeutbar. Diese Augenblicke wurden immer ausgebeutet. Den Repräsentanten des Staats fällt hier eine besondere Verantwortung zu, die Demokratie auch zu sprechen.

Angst als Medium ist Manipulation

Nun. Demokratie sprechen. Das gelingt sicherlich nicht damit, gleich davon zu sprechen, dass man sich durch so ein Attentat die Demokratie nicht zerstören lasse. Solche Aussagen. Das war schon die automatisierte Reaktion des Kleinkinds in einer autoritären Erziehungssituation, "es" nicht gewesen zu sein. – Wie politische Parteien ja immer automatisch jede Schuldzuweisung sofort zurückweisen, ja vorauseilend dementieren.

Das geht so schnell, dass der jeweilige Sachverhalt sicher nicht hatte überlegt werden können. – Meine demokratische Vertretung hätte sich den Opfern zugewandt. Das wäre Demokratie ausgeführt und Demokratie nicht nur beschworen. Demokratisch wäre es auch, die Fakten vorzulegen. Die Fakten vorgelegt zu bekommen. Ohne Kommentar nur die Fakten und nicht schon vorproduzierte Deutungen.

In einer Demokratie darf keine Politik für das Beste des Volks die Wahrheit unterdrücken.
Foto: AFP / Daniel Leal-Olivas

Und wenn nichts bekannt ist, dann kann auch nichts gesagt werden. Der Souverän hat das schon begriffen. Das können wir den repräsentierenden Männern versichern. So weit war uns ja Bildung zugänglich gemacht, dass wir diesen Schluss ziehen können.

Die Frage ist doch. Brauchen wir Politiker, die uns unsere Gefühle erklären, während sie unsere Gefühle ausbeuten. Brauchen wir Politiker, die in einer Art Vorbeterrolle uns die Ereignisse zwangsinterpretieren. Das erinnert doch an die Politiker damals, die mit Untertanen zu tun hatten?

Wir müssen die Wahrheit wissen

Und wäre es nicht Zeit, sich an die neoliberalerweise verwirtschaftlichten Bürgerinnen und Bürger in demokratischer Weise zu wenden. Wenn ein Staat die Bürgerinnen und Bürger ohnehin in die neoliberale Selbstvorsorge und Selbstfürsorge gedrängt hat.

Wenn das Leben der Bürgerinnen und Bürger in den Grenzen des Lebensarbeitszeitdurchrechnungszeitraums stattfinden muss. Wenn die Demokratie durch die Verfassung gesichert ist? Wäre es da nicht endlich Zeit, die Politik als Erziehungsprojekt aufzugeben?

Während ich diesen Text schreibe. Ich bin in Quarantäne. Ich hatte "einen Kontakt" und bin also K1. (Die Nürnberger Rassengesetze unterschieden Mischling 1 und Mischling 2. Es wäre befreiend, wenn solche Vergleiche nicht möglich wären.) Ich halte mich an alle Regeln. Selbstverständlich tue ich das. Ich brauche keine Drohungen und Andeutungen von Drohungen. Wir alle brauchen das nicht.

Wie wir in der Frage des Attentats und des Attentäters keine Phrasen und Aufplusterungen brauchen können. Wir müssen die Wahrheit wissen. Angst als Medium ist Manipulation. Unterdrückung. Autoritär.

Und was bedeutet es, dass die Regierungssprache und -gestik in der Attentatsfrage und in der Covid-19-Problematik so ähnlich daherkommen.
Foto: EPA / Friedemann Vogel

In einer Demokratie darf keine Politik für das Beste des Volks die Wahrheit unterdrücken. Wir sind keine Familie, in der irgendeine Instanz sich für mich etwas ausdenkt. Immer war das zum Besten der Person, für die ausgedacht wurde. Und immer hat das mit dem Schlimmsten für diese Person geendet.

Das Attentat muss aufgeklärt werden. Würde das nicht geschehen. Das Trauma, das aus den Gerüchten des Nichtwissens entstünde. Dieses Trauma erhielte den Krieg aufrecht. Das Trauma nicht aufzuarbeiten. Die Bürgerinnen und Bürger in ihrer Affektivität negativ zu verstärken.

Das war es, was kriegsbereite Ideologien immer taten. Das, was Volk genannt wird. Das war dann die Konstruktion der Gemeinsamkeit in den aggressiven Affekten. Scham. Hass. Neid. Alles Mittel der Veränderung der anderen und Eingrenzung in die jeweiligen Volksbegriffe. Oder Gruppenbegriffe. Stämme. Identitäten.

Die Fragen der Aufklärung

Wir erleben gerade einen solchen Augenblick. Und. Weil wir immer noch Medien haben. Und Journalismus. Die Fragen der Aufklärung. Die Umstände um den Attentäter. Zumindest wissen wir von den Fragen. Also: Wie gut arbeiten unsere Behörden zusammen? War es nicht doch Absicht, die Justiz nichts vom Munitionskauf des Attentäters in der Slowakei wissen zu lassen?

Geht es nicht immer noch um die Existenz des BVT? Wer da was und wo zu sagen hat. Wer Hausdurchsuchungen einfach durchführt. Wer sich welche Kompetenz zuspricht. Wer das kontrolliert. Und wird das kontrolliert?

Und. Hat uns die Geschichte der Geheimdienste der Nachkriegszeit nicht längst von allen Hoffnungen befreit, ein Geheimdienst könne unsere Sicherheit gewährleisten? Handelt es sich nicht doch um eine unüberprüfbare Schattenpolitik der persönlichen Weltanschauungen der Spieler? Und ist die nicht so oft rechts angesiedelt?

Staatliche Sprachregelungen

Und was bedeutet es, dass die Regierungssprache und -gestik in der Attentatsfrage und in der Covid-19-Problematik so ähnlich daherkommen. Angst wird in beiden Fällen zum Medium der staatlichen Sprachregelungen gemacht. Und. Das ist weder für das Attentat noch für die Covid-19-Maßnahmen verständlich.

Angst wird in beiden Fällen zum Medium der staatlichen Sprachregelungen gemacht. Und. Das ist weder für das Attentat noch für die Covid-19-Maßnahmen verständlich.
Foto: AFP / Ben Stansall

Die Pandemiesituation, die wir alle persönlich und für uns bewältigen müssen. Am Ende müssen wir das auch mit der Attentatssituation schaffen und die als Erfahrung integrieren. Würden wir das nicht, und das Trauma bleibt. Und das gilt für die Politik und für jeden und jede einzeln. Das Trauma erhielte den Krieg aufrecht. Zu unser aller Schaden.

Das Attentat muss aufgeklärt und erklärt werden. Das ist als Antikorruptionsmaßnahme politisch und psychohygienisch notwendig. Und das gilt genauso für die Covid-19-Maßnahmen. Und. Ich wollte, der Staat würde sich nicht so wichtigmachen. Ich wollte, die wissenschaftlichen Berater würden in die erste Reihe gehen und ihre Kompetenz direkt einsetzen.

Ist das die Geistfeindlichkeit der österreichischen Frühaufklärung, die da den Ausschlag gibt? Der Kanzler? Will er ins Jahr 1910 oder doch 1774 zurück? Denn. Die Übung, dass es immer Kanzlerpressekonferenzen zu allem gibt. Wäre es nicht richtiger, so ein Kanzler stünde neben einer Fachperson oder Fachpersonen, die berichten oder vorschlagen. Würde das nicht die Demokratie illustrieren, in der die Vernunft und die Politik zusammenwirken?

Reden die denn alle nicht miteinander und müssen deshalb Polizeipräsidenten und Bürgermeister und Stadtkommandanten und Justizministerinnen eigene Pressekonferenzen geben, weil sich nur so ihre Stellung beschreibt? Ist das Ausdruck des Zerfalls der Macht der Massenparteien, die sich in Österreich in der Form des Festhaltens am Errungenen darstellt und Machterhalt denkt statt Politik.

Freiheit der Lehre

Und. Angst als Mittel. Der vorliegende Vorschlag für die Novelle des Universitätsgesetzes vom 27. 10. Es geht um eine Verschärfung der Studienbedingungen. Der Staat verlangt von den Universitäten, den Studierenden die Zulassung zum Studium zu entziehen, wenn die Studierenden eine Mindestleistung nicht erreichen.

Das Neue daran ist, dass der Staat die Universitäten in eine noch größere Abhängigkeit vom Staat bringt, die durch die staatliche Bestimmung der Universitätsräte noch verstärkt wird. Die Universitäten werden so nach der Verwirtschaftlichung endgültig verstaatlicht.

Die Freiheit der Lehre ist – wieder neoliberalerweise übers Geld – damit nicht mehr vorhanden. Wer in der Fron steht, darf nichts von Freiheit wissen. Da hat wieder jemand zu viel Freiherr von Sonnenfels gelesen und einseitig sadistisch interpretiert.

Das Universitätsgesetz 1975 war ein demokratisch gedachtes Mitbestimmungsgesetz, in dem die Freiheit der Wissenschaft und der Lehre von allen Universitätsgruppen gemeinsam getragen werden sollte. Die ÖVP-Professoren von damals und seither. Sie haben diese Reform boykottiert und 1993 reaktionärerweise endgültig zu Fall gebracht.

Die Universitäten heute zahlen den Preis. Die Professoren werden endgültig entmachtet und werden zu normalen Angestellten, die eine vorgeschriebene Pflicht erfüllen müssen. Sie sind Dienstleister. Bildung kann das Ganze nicht mehr genannt werden. Angsterfüllt werden die Studenten und Studentinnen wiederum ihre Pflicht erfüllen. Regieren durch Angst. In Form zwingen. Zurichten. Angst als Formprinzip.

Neuverhandlung des Gewaltmonopols

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Bei den US-Wahlen geht es um eine Neuverhandlung des Gewaltmonopols des Staats: Wer hat die Waffen und wer nicht?
Foto: Getty Images / AFP / Nathan Howard

Nun. Wenn ich die Präsidentschaftswahlen in den USA beobachte. In diesen Wahlen geht es um eine Neuverhandlung des Gewaltmonopols des Staats. Wer hat die Waffen und wer nicht? Wie kann Antikorruption aussehen?

Denn es geht um Korruption, wenn die Black-Lives-Matter-Bewegung den systemischen Rassismus der Polizei bekämpft. Wenn ich mich an Marcus Omofuma erinnere? 1999. Da ging es auch darum, dass Marcus Omofuma nicht mehr atmen konnte. Wurde dieses Trauma durch Aufarbeitung vor einem Gericht und Genugtuung aufgehoben?

Was ist Genugtuung. Was ist die Würde des Souveräns. Das wäre die Frage, der die Politiker sich widmen sollten. Der Hygienestaat des Augenblicks ist nicht demokratisch darin, quasi fürsorglich über uns zu bestimmen, während wir auf unsere Selbstfürsorge angewiesen sind. Die zynische Verkindlichung, die das herstellt. Diese Verkindlichung ist Hohn. Unbewusst oder bewusst konstruiert.

Ich will wissen, wie der Staat, in dem ich lebe und meine Steuern bezahle, wie dieser Staat Katastrophen bewältigt und welche Rolle ich dabei einnehmen kann. Dazu muss alle Information zugänglich sein. Dann wird es möglich sein, das Gemeinsame einer ersten Reaktion auf die Katastrophen als politisch-demokratischen Normalzustand zu etablieren.

Ruhig und besonnen und mit eigenen Gefühlen, die wichtig sind. Politik. Politiker, die in der Art des Priesters von der Kanzel die Gefühle so lange dekretieren, bis jeder und jede sie haben muss. Die wären dann als so altmodisch erkennbar, wie sie längst sind. (Marlene Streeruwitz, ALBUM, 8.11.2020)