Wolfgang Stubenberg: "Die Zeit der Lockerungen war zum Sterben zu viel und zum Leben viel zu wenig."

Foto: Marienhof Gruppe

Mit Restaurants, Betriebskantinen und Eventcatering hat die Marienhof-Gruppe zuletzt mit rund 200 Mitarbeitern und einer Schar Junger, die über geringfügige Anstellungen aushalfen, rund 15 Millionen Euro umgesetzt. Gründer Wolfgang Stubenberg war eigentlich in der Autobranche, zuletzt Pressesprecher von Fiat. Auf Motorsportevents lernte er seinen späteren Gastropartner Waldemar Benedict, der bereits ein Restaurant in der Wiener Josefstadt betrieb, kennen. 1998 taten sie sich zusammen. Gleich zu Beginn des ersten Lockdowns im März wurden den Caterern zwei der größten Kundenevents, der Wiener Radiologenkongress und das Festival #4Gamechangers, mit je rund 15.000 Teilnehmern abgesagt.

STANDARD: Herr Stubenberg, wie machen Sie das mit Ihrem Geschäft jetzt im zweiten Lockdown?

Stubenberg: Wir müssen jetzt radikal versuchen, unsere Firma einzufrieren. Wir begeben uns ins Koma und hoffen, dass wir auch wieder einmal aufgeweckt werden. Nach dem ersten Lockdown hatten wir noch Hoffnung, haben die Zeit für neue Konzepte genützt. Jetzt ist alles paralysiert. Niemand plant etwas. Veranstaltungen sind auf den Nimmerleinstag verschoben.

STANDARD: Das war ganz anders im März, rund um den ersten Lockdown?

Stubenberg: Ja. Das war noch ein bisschen wie 2008 in der Finanzkrise. Nach der Absage von Großkongressen Anfang März und dem folgenden Lockdown Mitte März wussten wir: Unser Geschäft ist tot. Nicht schlecht, nicht beeinträchtigt, sondern tot. Wir haben mit dem Großteil unseres Personals Aussetzungsverträge mit Wiedereinstiegsgarantie gemacht. Rund 30 Prozent haben wir behalten und in Kurzarbeit geschickt. Wir haben damals gehofft, dass die Leute im Mai ausgehungert nach Zusammentreffen sind und unser Geschäft wieder anläuft. Das war nicht wirklich so, die Ausnahme war ein kleines Fenster im Sommer. Aber es waren ja auch Veranstaltungen wie etwa große Hochzeiten verunmöglicht. Im September war klar: Es geht nichts mehr. Wir hatten dennoch Hoffnung. Jetzt schaut es ganz schlecht aus.

STANDARD: Sind Sie über die Monate mit den Lockerungen halbwegs zurechtgekommen?

Stubenberg: Das war zum Sterben zu viel und zum Leben viel zu wenig. Es macht wirtschaftlich einfach keinen Sinn, eine Kantine, ausgelegt auf 450 Leute, für 60 Leute offen zu halten. Da reite ich ein totes Pferd. Es ist wirklich dramatisch. Die einzig gute Nachricht, und die klingt wirklich zynisch, es geht niemandem in der Branche besser, niemand macht es besser, weil es einfach nicht möglich ist. Vielleicht ist das auch eine entspannende Nachricht, ich muss nicht andauernd links und rechts schauen, dass andere uns nicht links oder rechts überholen und bessere Ideen umsetzen.

STANDARD: Ist Ihr Job nicht sowieso einer, in dem Sie rund um die Uhr gefordert sind?

Stubenberg: Das war am Anfang so, beim Aufbau. Da habe ich von A bis Z alles gemacht, gekämpft vom Erstgespräch mit Kunden bis zum Abcateren. Benedict hat sich um die Produktion gekümmert. Das hat sich relativ schnell aufgehört, wir konnten uns professionell aufstellen in der Organisation. Wenn ich heute wirklich wohin muss, um etwas zu retten, dann ist diese Veranstaltung eigentlich schon gekippt. Vor Ort bin ich schon recht lange entbehrlich. So, wie wir anfangs gearbeitet haben, das hält man auch nicht lange aus, nur solange man jung ist.

STANDARD: Haben Sie eigentlich Verständnis für die Maßnahmen der Regierung zur Pandemieeindämmung?

Stubenberg: Beim ersten Lockdownchaos hatte ich noch Verständnis. Jetzt sehe ich so viel Farce und Symbolpolitik, viel Versagen. Es schwirren irgendwo 50 Milliarden Hilfsgelder herum. 50 Millionen schnell für Pop-up-Labors hätten gereicht. Ich sage das nicht als Ignorant des Virus. Ich hatte selbst Corona in einer mittleren Symptomstufe, ich habe derzeit Antikörper und bin symptomfrei. Abgesehen von sich ständig widersprechenden Informationen – ich bin selbst als Patient auch durch die Institutionen gegangen, weiß, wovon ich rede, und habe es selbst erlebt. (Karin Bauer, 7.11.2020)