Autorin und Arbeitsmarktexpertin Veronika Bohrn Mena

Foto: Michael Mazohl

Blanke Wut – das war die Emotion, die mir von allen Frauen bei den Interviews mit Frauen für mein Buch vor, während und nach dem ersten Lockdown entgegenschlug. Totale Erschöpfung und bleierne Mu¨digkeit prägten die Verfassung, von der mir die meisten Interviewpartnerinnen berichteten.

Angst, Verzweiflung, Überforderung und Resignation waren ihre ständigen Begleiterinnen. Denn uns Frauen hat die Corona-Krise doppelt getroffen. Das mussten und mu¨ssen wir alle nicht nur am eigenen Leib erfahren, das bestätigen auch sämtliche Erhebungen, die sich mit den Auswirkungen der Krise beschäftigen.

Im Dauereinsatz

Wir Frauen waren und sind auch dieses Mal wieder diejenigen, die die Gesellschaft am Laufen halten, wir tragen sie. Wir arbeiten in den systemrelevanten Bereichen, in genau den Berufen, ohne die einfach gar nichts geht. Wir leisten die Erziehungs- und emotionale Sorgearbeit, wir helfen, pflegen und sind unermüdlich im Einsatz – und das alles auf einmal. Wir arbeiten eigentlich rund um die Uhr und vollbringen Unfassbares. Doch wir Frauen leisten all diese Arbeit so selbstverständlich wie unaufhörlich, dass sie unsichtbar, unerkannt, unbedankt und un(ter)bezahlt ist. Wir opfern jede Menge Zeit fu¨r unsere Nächsten und verlieren dabei auch noch Geld.

Bekannte Schieflage

All das ist nichts Neues, das war auch schon vor dem Ausbruch des Coronavirus so. Diese extreme Doppelbelastung fu¨r Frauen und die Schieflage in der Verteilung von Zeit und Geld waren schon zuvor ein weit unterschätztes Problem. Die Konsequenz ist nicht nur die ungleiche Verteilung von Macht und Anerkennung, sondern es bedeutet fu¨r Frauen auch erheblich weniger Lebensqualität, gesundheitliche Folgeschäden, geringere Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe, schlechtere Chancen auf Bildung und Weiterbildung und vieles mehr.

Zeit ist heute das höchste Gut, und Frauen haben davon einfach viel zu wenig. Die letzten Monate der Krise haben diesen Missstand sogar noch weiter verschärft und ins Extreme gesteigert. Die Auswirkungen dieser Ungerechtigkeit beeinflussen wirklich jeden Lebensbereich und sind verheerend, insbesondere fu¨r uns Frauen, aber auch fu¨r unsere Angehörigen.

Stille Heldinnen

Als ich mit der Arbeit am Buch Leistungsklasse im Jänner 2020 begann, wusste ich nicht, dass nur wenige Wochen später genau diese Konstellation aufgrund einer Pandemie eskalieren würde. Und auch wenn sich die Lage für die Frauen in der Krise weiter verschärft hat, so hat sich dadurch leider nicht das öffentliche Bewusstsein für ihre Realitäten geschärft – ganz im Gegenteil: Es bleibt weiterhin sehr leise um die stillen Heldinnen, um ihre Sorgen, Ängste und Nöte. Nicht so in den Interviews mit meinen Gesprächspartnerinnen, die so von den starken Emotionen der Frauen geprägt sind, dass auch ich vor Wut kochte, während ich sie niederschrieb.

Die Regierung hat all diese Probleme bisher ignoriert und schöngeredet. Dass sich im Nachhinein beispielsweise herausgestellt hat, dass während des Shutdowns nur 514 Personen in ganz Österreich die drei Wochen Sonderbetreuungszeit nutzen durften, hat sie nicht einmal kommentiert – genauso wenig, dass in Summe keine 5000 Personen einzelne Tage der Sonderbetreuungszeit in Anspruch nehmen konnten. Die Arbeitgeber spielten bei dieser ihrerseits "freiwilligen" Maßnahme einfach nicht mit. Thema war dies in den ständigen Pressekonferenzen bisher jedoch nicht.

Unbedankte Arbeit

Wir dürfen uns nicht mit einem müden Applaus und einem herablassenden Lob begnügen, während gerade milliardenschwere Hilfspakete samt Steuererleichterungen geschnürt werden. Wir Frauen sollten diese Ungerechtigkeiten nicht länger hinnehmen. Gerade jetzt, da fleißig Geld in die Hand genommen und umverteilt wird, muss über unsere Lage gesprochen werden, sie muss Thema sein und darf keinesfalls weiter ignoriert werden. Denn wenn wir noch länger überhört werden, droht uns Frauen ein Rückschlag in vergangene Zeiten, der sich gewaschen hat. (8.11.2020)