Foto: OeNB, Bildarchiv Austria

Nach dem Tod des letzten männlichen Babenbergers Friedrich II. 1246 trat in den Herrschaftsverhältnissen Österreichs eine ziemlich unübersichtliche Situation ein. Die österreichischen Adeligen und die Ratsbürger von Wien wandten sich an den mächtigsten Fürsten der Region, den böhmischen König, um Hilfe. Dieser nominierte seinen Sohn Přemysl Ottokar als neuen Herzog von Österreich. Das Wiener Bürgertum war erstmals als aktiver politischer Player in Erscheinung getreten.

Seit 1251 nannte sich Ottokar also Herzog von Österreich. Waren die Anfänge auch nicht friktionsfrei, gelang es ihm, der 1253 zum König von Böhmen aufgestiegen war, in den folgenden zweieinhalb Jahrzehnten seiner Herrschaft, die maßgeblichen Wiener Bürgerfamilien durch Privilegien und wirtschaftliche Begünstigung an sich zu binden. Als einer der mächtigsten Territorialherren des Reiches betrachtete sich Ottokar als Favorit für den Posten des römisch-deutschen Königs. Als die Wahl der Kurfürsten 1273 aber nicht auf ihn, sondern auf den Habsburger Rudolf I. fiel, war ein Konflikt unausweichlich. Die Auseinandersetzung der beiden Machtmenschen führte für Ottokar nach drei Jahren zunächst zum Verlust Österreichs und letztendlich in der Schlacht bei Dürnkrut und Jedenspeigen 1278 seines Lebens. Obwohl König Rudolf seine Söhne erst vier Jahre später mit Österreich belehnte, war das für die Stadt Wien der Beginn der habsburgischen Ära.

Rudolf I. von Habsburg.
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Die obere Bürgerschicht Wiens stand zu einem großen Teil zu Ottokar, die meisten akzeptierten zwar gezwungenermaßen die Gegebenheiten, taten dies aber nur sehr zögerlich und zurückhaltend. Offen aufrührerische Parteigänger Ottokars wurden des Landes verwiesen, ihr Vermögen konfisziert. Die Handwerker und der sogenannte "Pöbel" waren eher bereit, den Habsburger anzuerkennen. Gemeinsam war allen Bevölkerungsschichten die Abneigung gegen die im Gefolge von König Rudolf nach Wien gekommenen Schwaben. Noch jahrhundertelang wurde Küchenungeziefer als "Schwaben" bezeichnet, sogar im 20. Jahrhundert war dieser Ausdruck noch manches Mal zu hören.

Aufstieg und Fall einer Bürgerfamilie

Es waren immer dieselben Bürgerfamilien, die das Schicksal und die Politik Wiens mitbestimmten. Die meisten von ihnen waren schon zur Zeit der Babenberger wichtige und mächtige Vertreter des Bürgertums gewesen und unter König Ottokar zu noch mehr Reichtum und Ansehen gelangt. Sie nahmen Einfluss auf die Landesverwaltung, bezeugten Urkunden, gemeinsam errichteten sie eine bürgerliche Stiftung: das Bürgerspital. Sie hatten Häuser in der Stadt und Grundbesitz außerhalb der Stadt, wo sie Landwirtschaft und Weinbau, der im mittelalterlichen Wirtschaftsleben Wiens eine beherrschende Rolle spielte, betrieben. Neben Geldgeschäften war das die Grundlage ihres Vermögens. Eine dieser Familien waren die Haimonen.

Die Haimonen, also die Nachkommen des Haimo, gehörten zum alten Patriziat. Sie besaßen neben ihren Wiener Häusern auch Gründe in Mauer. Das Dorf Mauer – der Name weist auf römische Mauerreste hin – wurde schon im Mittelalter zur Anlage von Weingärten genützt. Hier stiftete der Haimone Otto eine dem heiligen Andreas geweihte Kapelle im alten Maurer Schloss. In der Stadt selbst befand sich das Haus der Familie Haimo in der Wiltwercherstrazze, der heutigen Wipplingerstraße. In diesem Stadtpalais war, wie für reiche Familien üblich, im Obergeschoß eine Hauskapelle untergebracht, welche der Muttergottes geweiht war. Sie dürfte von den Brüdern Otto II. und Haimo III. um 1290 errichtet worden sein. Diese waren unter jenen, die sich nach Ottokars Fall mit den habsburgischen Landesherren arrangiert hatten. Als es Ende des 13. Jahrhunderts in den österreichischen Ländern zu einem Adelsaufstand gegen Herzog Albrecht kam, beteiligten sie sich ebenso wenig wie die anderen Wiener Bürger daran, was der Stadt erheblichen Profit in Form eines Stadtrechtsprivilegs einbrachte.

Erst das Jahr 1309 brachte die Wende, als Albrecht, der inzwischen römisch-deutscher König geworden war, von seinem Neffen Johann "Parricida" ermordet wurde. Sein Sohn und Nachfolger als Herzog, Friedrich "der Schöne", war gänzlich unvorbereitet und befand sich deshalb in einer schwachen Position. Diese Situation nutzten österreichische Adelige, unterstützt vom bayerischen Herzog, zu einer antihabsburgischen Erhebung. Und dieses Mal schlossen sich Vertreter des Wiener Bürgertums, darunter die Haimonen Otto und Haimo, aber auch Handwerker dem Aufstand an. Der brach allerdings mangels Unterstützung durch die übrige Bevölkerung bald zusammen. Herzog Friedrich hielt strenges Strafgericht, wobei die Adeligen relativ glimpflich davonkamen und die Handwerker am strengsten bestraft wurden. Sie zahlten mit dem Leben oder büßten ihr Augenlicht oder ihre Zungen ein. Den aufständischen Bürgern wurde ihr gesamter Besitz entzogen, für die Brüder Otto und Haimo bedeutete das auch den Verlust des Hauses mit Kapelle in der Wipplingerstraße.

Die Haimonen Otto und Haimo setzen ein Bild des heiligen Salvator auf den Altar der von ihnen gestifteten Kapelle.
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Wien erhält ein neues Rathaus und einen neuen Heiligen

Die Stadt Wien profitierte indirekt von diesen Ereignissen, denn Herzog Friedrich schenkte ihr das Haus der Haimonen, das in den 1330er-Jahren als neues Rathaus das ältere in der Wollzeile ersetzte. Im Lauf der Jahrhunderte immer wieder erweitert, beherbergte das heute als "Altes Rathaus" bekannte Gebäude noch über 500 Jahre den Wiener Stadtsenat. Erst 1885 übersiedelte er in das neue Gebäude am Ring.

Die Namen der Kapellengründer lebten in der Erinnerung der Wiener Bevölkerung fort, im Lauf der Zeit verschmolz Otto und Haimo zu Ottenhaim, und nach einigen Jahrzehnten betete man zum Sankt Ottenhaim. Das war dem Klerus natürlich ein Dorn im Auge, die "Ketzerei" wurde Anfang des 16. Jahrhunderts verboten. Die Kirche, deren Inneres schon im 14. Jahrhundert erweitert worden war, wurde neu, dieses Mal dem Erlöser, geweiht. Sie ist seitdem als St. Salvator bekannt und heute Bischofssitz der altkatholischen Kirche.

Grabdenkmal des Přemysl Ottokar I.
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Portal der Salvatorkapelle.
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Zum Schluss gibt es die gute Nachricht: Das anlässlich dieser neuen Weihe errichtete, wunderbare Portal in der heutigen Salvatorgasse ist noch erhalten. Es ist eines der wenigen Werke der Frührenaissance in Wien. Über der Darstellung der Kirchenpatrone Maria und Jesus im Tympanon weist eine Inschrift auf die Gründer, die Brüder Otto und Haimo, hin. In der ehemaligen Grundherrschaft Mauer erinnert die Haymogasse an eines der mächtigsten, längst vergangenen Bürgergeschlechter Wiens. (Friederike Kraus, 13.11.2020)