Was würde wohl Benjamin Franklin – als einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten ziert er den 100-Dollar-Schein – zu Bitcoin und dessen Höhenflug sagen?
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Still und leise hat Bitcoin, die erste und bekannteste Kryptowährung, am Wochenende erstmals seit Anfang 2018 kurzfristig die Marke von 14.000 US-Dollar übersprungen. Nach einer kurzen Verschnaufpause brachten die US-Präsidentschaftswahl und das darauf folgende Warten auf eine Entscheidung den nächsten Kursschub in den Bereich von 15.000 Dollar. Damit nähert sich die Kryptowährung nicht nur ihren Rekordständen wieder an, sondern ist heuer auch eines der ertragreichsten Investments: Trotz oder wegen der Corona-Krise steht ein Zugewinn um etwa 115 Prozent seit Jahresbeginn zu Buche, also mehr als eine Verdoppelung.

Insgesamt erscheint der Aufwärtstrend diesmal aber trotz des jüngsten Kurssprungs langsamer und stabiler als im Hype-Jahr 2017. Damals schoss der Kurs steil bis auf mehr als 19.000 Dollar, bevor er ebenso rasch wieder abstürzte. Dennoch bleibt die Frage: Wird sich das wiederholen? Entsteht gerade die nächste Kryptoblase?

Schutz vor Inflation

Ein Unterschied zu 2017 dürfte sein, dass das Umfeld und die Infrastruktur diesmal um einiges gereift wirken – als wären Kryptowährungen den Kinderschuhen entwachsen. So werden sie bei immer mehr institutionellen Investoren fester Bestandteil des Anlageuniversums als Element zur Risikostreuung. Folglich haben große US-Terminbörsen wie die CME schon längst Bitcoin-Futures im Programm.

Der US-Hedgefondsmanager Paul Tudor Jones investiert in Bitcoin wegen der extrem expansiven Geldpolitik der US-Notenbank Fed, weshalb ein Anstieg der Inflation drohe. Die Kryptowährung hält er für den besten Schutz gegen Geldentwertung, sie übertreffe dabei selbst Gold.

Produkte fürs Depot

Das Zusammenwachsen mit dem klassischen Finanzbereich unterstreicht auch folgendes Vorhaben: Heuer kündigte mit dem US-Handelsplatz Bitstamp die erste Kryptobörse den Gang an den Aktienmarkt an. An der Wiener Börse sind übrigens seit September Produkte auf die Kryptowährungen Bitcoin und Ethereum handelbar, die deren Wertentwicklung eins zu eins abbilden sollen. Zwar läuft der Handel bisher noch schleppend, dennoch erhöhen solche Angebote – auch andere Börsen haben vergleichbare Produkte im Programm – die Akzeptanz von Kryptowährungen. Gerade ältere Semester schrecken mitunter vor der Installation einer Wallet ab – also einer elektronischen Geldbörse, mit der Bitcoin und Co verwahrt und verwaltet werden. Über die neuen Börsenprodukte können sich Anleger Kryptowährungen nun auch ins herkömmliche Wertpapierdepot legen.

Eigener Index

Im Oktober startete die Wiener Handelsplattform Bitpanda, die heuer in einer Finanzierungsrunde 52 Millionen Dollar erhielt, die laut eigenem Bekunden weltweit ersten Indizes für Kryptowährungen. Den Bitpanda Crypto Index gibt es in drei Ausführungen, bei denen die jeweils fünf, zehn oder 25 größten Coins enthalten sind. Anleger können direkt in die Indizes investieren und erhalten so gleich einen Korb an Kryptowährungen, um innerhalb dieses Bereichs die Risiken zu streuen.

Kurzum, es sind viele kleine Mosaiksteinchen, die sich sukzessive zu einem stimmig wirkenden Ganzen zusammenfügen. Allerdings bleiben Schattenseiten wie der hohe Energieverbrauch beim Schürfen, wie das Erstellen neuer Bitcoins genannt wird – wobei die weltweit tiefen Energiepreise während der Corona-Krise die Kursentwicklung zuletzt begünstigt haben dürften. Auf lange Sicht spricht diese jedenfalls eine deutliche Sprache: Lag der Wert eines Bitcoins zu seinem Entstehen knapp nach der Finanzkrise de facto bei null, so sind derzeit deutlich mehr als 15.000 Dollar dafür zu bezahlen. (Alexander Hahn, 6.11.2020)