Der Attentäter von Wien war in zwei Moscheen in der Bundeshauptstadt aktiv und dürfte sich dort auch radikalisiert haben.

Foto: elmar gubisch

Der Melit-Ibrahim-Verein in Wien-Ottakring wurde aufgelöst.

DER STANDARD

Der Wiener Polizeichef Gerhard Pürstl (links) und Innenminister Nehammer (Mitte) räumten Fehler bei der Polizeiarbeit im Vorfeld des Anschlags ein.

Foto: JOE KLAMAR/APA

Polizisten am Mittwoch in der Wiener Innenstadt.

Foto: AFP/JOE KLAMAR

Wien – Kultusministerin Susanne Raab und Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP) haben nach dem islamistischen Terroranschlag in Wien die Schließung einer Moschee und eines Moscheevereins angekündigt. Dies sei nach einem Krisentreffen mit dem Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Ümit Vural, angeordnet worden, hieß es Freitagmittag. Es gehe um den Entzug der Rechtsstellung sowie um die Auflösung von Vereinen.

Bei einer Pressekonferenz im Innenministerium sprach Raab am Freitag den Angehörigen der Opfer des Anschlags ihr Mitgefühl aus, dem Innenminister sowie auch den Einsatzkräften sprach sie ihren Dank aus. Als Integrationsministerin sei ihr wichtig zu sagen: "Ziel des Terrors ist, einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben – zwischen Muslime und Nichtmuslime." Mit voller Härte und Entschlossenheit werde man gegen den Terror ankämpfen, betonte Raab.

Kein Angriff auf den Islam

Der Attentäter von Wien habe vor allem zwei Gebetshäuser frequentiert: eines davon unterstand der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ). Die Tewhid-Moschee in Meidling wurde auf Grundlage des Islamgesetzes geschlossen. Eine weitere – von der IGGÖ unabhängige – Einrichtung wurde auf Grundlage des Vereinsgesetzes aufgelöst: der Melit-Ibrahim-Moscheeverein in der Hasnerstraße in Wien-Ottakring. Die umgehende Schließung erfolge im Interesse der öffentlichen Sicherheit, da die im Islamgesetz geforderte "positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat" nicht bestehe, so Raab. Das alles sei kein Angriff gegen eine Religion oder ihre Mitglieder, sondern gegen den Missbrauch der Religion für das Radikale, unterstrich die Integrationsministerin.

Die Opposition begrüßte die Schließung der Moscheen, kritisierte jedoch, dass dieser Schritt zu spät gesetzt worden sei – habe Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Schließung doch schon vor zwei Jahren angekündigt. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch sieht dies als "Eingeständnis des Regierungsversagens, dass hier in den letzten zwei Jahren nichts Entscheidendes passiert ist, um eine Radikalisierung in radikalen Moscheen zu verhindern". Der FPÖ wiederum gehen die Schließungen nicht weit genug. Auch die Hälfte der Grazer Moscheen sei islamistisch orientiert, und das "zahnlose Islamgesetz" behindere ein entschlossenes Vorgehen dagegen.

Acht Männer in U-Haft

Zuvor war bekanntgeworden, dass von den 16 im Zusammenhang mit dem Terroranschlag festgenommenen Männern sechs wieder enthaftet wurden. Bei ihnen hätte sich der Verdacht nicht erhärtet, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Nina Bussek. Über acht wurde Untersuchungshaft verhängt. Zwei Verdächtige sind noch in keine Justizanstalt eingeliefert worden.

Sie stehen im dringenden Verdacht, durch Unterstützung des Attentäters im Vorfeld des Anschlags einen Beitrag zu den Verbrechen des Mordes, der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und einer kriminellen Organisation geleistet zu haben. U-Haft-Gründe sind Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr und auch Tatbegehungsgefahr. Zwei Ermittlungsstränge führen in andere Länder: nach Deutschland und in die Schweiz.

Fehler bei Ermittlungen

Nehammer räumte bei der Pressekonferenz eine weitere Ermittlungspanne im Vorfeld des Terroranschlags von Wien ein. Demnach hatte der spätere Attentäter im Sommer Kontakt zu Personen, die im Auftrag des deutschen Verfassungsschutzes vom Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) überwacht wurden. Dennoch wurden damals keine Konsequenzen gezogen. Der Leiter des LVT Wien wurde abberufen, berichtete Polizeichef Gerhard Pürstl. Die interimistische Führung übernimmt der Leiter des steirischen LVT, Rupert Meixner.

Nehammer sprach von "offensichtlichen und aus unserer Sicht nicht tolerierbaren Fehlern". Auf die Frage nach seiner politischen Verantwortung für die Fehlleistungen sagte Nehammer, er sehe seine Verantwortung darin, zu handeln, wenn ihm Missstände zur Kenntnis gebracht werden.

Laut Pürstl hat sich der spätere Attentäter im Juli mit Personen getroffen, die unter Beobachtung des deutschen Verfassungsschutzes standen und sich in Österreich aufgehalten haben. Diese Tatsache und der später in der Slowakei gescheiterte Waffenkauf hätten laut Pürstl "bei der Einschätzung der Gefährlichkeit des Täters zu einem anderen Ergebnis führen können".

Schutz vor Missbrauch

Zuvor hatte die IGGÖ bereits die Schließung einer Moschee in Wien bestätigt, aber nicht, um welches Objekt es sich genau handelt. "Religionsfreiheit ist ein hohen Gut in unserem Land, das wir vor Missbrauch schützen müssen und schützen werden – auch vor jenem aus den eigenen Reihen", schrieb IGGÖ-Präsident Vural. "Daher haben wir in Absprache mit den zuständigen Behörden die Schließung einer Moscheegemeinde angeordnet." Unter dem Dach der Islamischen Glaubensgemeinschaft finden sich österreichweit ungefähr 350 Moscheen und Gebetshäuser. (APA, red, 6.11.2020)