Wer sich seit vielen Jahren gegen Grippe impfen lässt, könnte mehrfach profitieren.

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Die Zahl der weltweiten Grippefälle ist in diesem Jahr geringer als sonst – etwa auf der Südhalbkugel, wo die Influenza-Saison bereits vorbei ist, war dieser Trend zu beobachten. Der vermutete Grund: Die Abstands- und Hygieneregeln der Corona-Pandemie führen auch zu weniger Ansteckungen mit anderen Infektionskrankheiten, auch der Grippe.

All jene, die sich gegen die Influenza immunisieren lassen, reduzieren ihr Risiko, an einer echten, schweren Grippe zu erkranken, und helfen mit, das Gesundheitssystem vor einer Überlastung zu bewahren – in diesem Jahr ist das wichtiger denn je. Doch Grippe-Geimpfte könnten auch noch von einem weiteren Effekt profitieren, den Forschende aus den Niederlanden und Deutschland nun in einer vorveröffentlichten Studie beschreiben, die also von unabhängigen Fachkollegen erst noch begutachtet werden muss.

Reduziertes Risiko

Die Forschungsgruppe hat herausgefunden, dass Spitalsmitarbeiter in den Niederlanden, die in der Saison 2019/2020 gegen Influenza geimpft wurden, seltener an Covid-19 erkranken. Dafür wurden 10.600 Angestellte untersucht, 184 davon wurden im Frühjahr positiv auf Sars-CoV-2 getestet. Von den gegen Influenza geimpften Mitarbeitern hatten sich 1,33 Prozent infiziert, von den nicht Geimpften waren es 2,23 Prozent. Das sei eine Reduktion des Risikos um 39 Prozent, heißt es in der Studie.

Zudem führten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter Laborexperimente durch: "Anhand eines In-vitro-Modells der trainierten Immunität zeigen wir, dass der Grippeimpfstoff, der in den Niederlanden in der Grippesaison 2019/2020 eingesetzt wird, eine trainierte Immunantwort induzieren kann, einschließlich einer Verbesserung der Zytokinreaktionen nach Stimulation menschlicher Immunzellen mit Sars-CoV-2", heißt es in der Publikation.

Möglicherweise kommt hier eine sogenannte Kreuzimmunität zum Tragen. Schon länger ist bekannt, dass Impfungen jeglicher Art auf Dauer das Immunsystem trainieren und stärken. So können einige Impfungen nicht nur jenen Erreger, für den sie eingesetzt werden, bekämpfen, sondern auch andere. Mehrere Studien haben in diesem Jahr bereits gezeigt, dass Geimpfte gegen Influenza sowie gegen andere Infektionskrankheiten anscheinend seltener an Covid-19 erkranken.

Kein kausaler Zusammenhang

"Unter Berücksichtigung dieser Daten und angesichts der Tatsache, dass noch mindestens einige Monate vergehen müssen, bis ein spezifischer Sars-CoV-2-Impfstoff zur Verfügung steht, könnte eine Grippeimpfung nicht nur zur Verringerung der Influenza, sondern auch zur Verringerung der Covid-19-bedingten Belastung des Gesundheitssystems beitragen", schlussfolgern die Forschenden.

Allerdings, so merken sie ebenfalls an, belegt ihre Studie keinen kausalen Zusammenhang. Womöglich ist nicht die Grippeimpfung an sich dafür verantwortlich, dass die Geimpften weniger an Covid-19 erkranken, sondern dass diese Menschen insgesamt mehr Wert auf ihre Gesundheit legen, also generell fitter sind oder die Hygiene- und Abstandsregeln konsequenter befolgen. Weitere Forschung ist notwendig. (Bernadette Redl, 11.11.2020)