Mit einem Euro bekommt man heute nur noch sehr wenig. Beim Diskonter bedeutet er in Essen gerechnet: zwei gebähte Mohnflesserln.

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Das Desinfektionsmittel ist hier im Ein-Euro-Shop billiger als anderswo. Allerdings hat es vom Geruch her auch mehr mit der Hausbar als mit dem Krankenhaus zu tun. Das liegt möglicherweise daran, dass die wegen Corona und Gastronomie-Lockdown nicht verkäufliche Produktionsmenge an billigem Schankwein und Schnaps mittlerweile längst zur Herstellung von Handhygienemitteln verwendet wird. Ob man sie trotzdem trinken kann, ist leider nicht bekannt. Etwaige Erfahrungsberichte werden aber gern entgegengenommen.

Im Wesentlichen gilt: Nebenan in der Filiale von Feinkost Hofer kann man den gleichen Schnaps als ursprünglichen Schnaps zum selben Preis erwerben. Ein Euro als Richtpreis funktioniert spätestens seit dem heurigen Frühjahr allerdings nicht mehr. Dieser Diskont funktionierte immer nur über die Mischkalkulation. Einerseits schleudern, andererseits mit höheren Preisen eine zünftige Gewinnspanne machen. Speziell wenn die Dinge elektrisch werden, ist Vorsicht geboten.

In den während der letzten Jahre wie Schwammerln aus dem Boden schießenden Ein-Euro-Shops in der Wiener Nachbarschaft gesellt sich der teilweise beißende Geruch der Desinfektionsmittel aus ursprünglich zumindest trinkbarem Alkohol jedenfalls neu zum Gestank des üblichen Angebots von Hart- und Weichplastikprodukten für den Haushalt. Toxische Duftbäume für Autos, in die man nicht gern steigt, ergänzen das olfaktorische Ensemble.

Führe uns aus der Dunkelheit

Es wird von gegen Mottenfraß imprägnierter Unterwäsche oder Handtüchern zusätzlich bereichert. Aus denen bekommt man den chemischen Mief nicht einmal nach einem Jahr regelmäßiger Tauchgänge in der Waschmaschine heraus. Plastiktischtücher, Putzmittel, Pizzahobel, Spielzeug, Gimmicks, Gläser, Teller, Besteck, Feuerzeuge, Blumenvasen des Grauens, Aschenbecher mit Deckel, Geschenkpapier, Jahrgangsschokolade aus Firmenauflässen. Alles da.

Glühbirnen, die im Gegensatz zum heute verordneten Babykram noch eine ordentliche Wattzahl besitzen und im Haushalt ihren eigentlichen Zweck erfüllen, waren und sind immer noch der große Verkaufsrenner: nicht milchig-diffus die nächtliche Dunkelheit im Stile des weichzeichnenden Mädchenfotografen David Hamilton (Bilitis) erhellen, sondern ordentlich in die Hautunreinheiten reinknallen. Man made the electric light to take us out of the dark. Oft ist die Herkunft der Glühbirnen nicht geklärt. Wir tippen auf Produktionsstätten hinter dem Ural. Manchmal explodieren die Glühbirnen. Peng.

Verbrannte Finger

Unvergessen auch der Toaster, an dem man sich regelmäßig die Finger verbrannte und den man erst abkühlen lassen musste, bevor man die Toasts herausholen konnte. Auch die Sammlung der Espressokannen auf dem Küchenkastl, die nicht mehr benutzbar sind, weil es keine Ersatzgummidichtungen gibt, die passen würden, ist mittlerweile recht ansehnlich. Sehr beliebt auch immer wieder verstrahlt blinkende Weihnachtslamperln oder Regenschirme, die sich nicht mehr schließen lassen. Dazu Kabelbinder jenseits des Erlebnishorizonts von Fifty Shades of Grey oder Schraubenzieher, deren Griffe leicht wegbrechen.

Wer produziert das alles, wer kauft das alles? Warum erfreuen sich Ein-Euro-Shops trotzdem oder gerade deswegen so großer Beliebtheit? Neben Lebensmittel-Diskontern mit eingeschränktem Warenangebot, dem Online-Handel oder ramschenden Möbel- und Elektronikketten liegt der Erfolg des Ein-Euro-Shops während der letzten Jahre nicht nur darin begründet, dass die neoliberalen Zeiten für einfache Leute nur noch schwer zu finanzieren sind. Man kann ja parallel dazu auch einen Trend zur Tankstelle statt zum Wirtshaus, zur Kebapbude statt zum Restaurant oder zum Fleischgroßhandel statt zum Fleischhacker erkennen. Ganz abgesehen vom jährlichen Rudelraufen beim Black Friday Ende November zählt nicht nur billig. Im traditionellen und traditionell unübersichtlichen und mit Billigware vollgestopften Ein-Euro-Shop machen sich vielfach auch uralte Instinkte bemerkbar.

Jäger und Sammler

Der Mensch ist ein Jäger und Sammler. Man will Pilze, Kräuter und Früchte hamstern, eventuell auch einen Feldhasen erlegen. Nach Hause kommen wir aber mit einem Radiowecker und einer Kehrschaufel mit langem Stiel. Ohne das Klump scheint ein Weiterleben nicht vorstellbar. Dabei hat man noch Geld gespart. Und wenn das Zeug länger als ein Jahr hält, freut man sich extra. Willkommen beim Low-Life-Shopping. Wo ist eigentlich die rote Teufelsquietschente für die Badewanne hingekommen? (Christian Schachinger, 7.11.2020)