Die türkis-grüne Regierung will eine verfassungskonforme Möglichkeit finden, um verschlüsselte Nachrichten auszulesen.

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Ginge es nach der ÖVP, wäre in Österreich ein Bundestrojaner schon längst im Einsatz. Einer staatlichen Spionagesoftware machte der Verfassungsgerichtshof im vergangenen Jahr jedoch einen Strich durch die Rechnung: Er kippte das Gesetz, das von der türkis-blauen Regierung verabschiedet worden war, weil es gegen den Datenschutz und das Grundrecht auf Privatsphäre verstieß.

Mit der aktuellen Situation im Land ist eine verstärkte Überwachung wieder Thema. Auf Anfrage des STANDARD hält sich das Justizministerium allerdings bedeckt: Es werde ein umfassendes Maßnahmenpaket als Folge des Terroranschlags am Montag geben – und da es mehrere Punkte betrifft, "keine Kommentierung von Einzelmaßnahmen". Im Zentrum stehe aber die Neuaufstellung des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT).

Türkises Unterfangen

Damit dürfte der Bundestrojaner oder eine ähnliche Regelung wohl näher rücken – denn auch wenn dieser nicht explizit genannt wird, hat die ÖVP in der Vergangenheit bereits mehrfach erwähnt, dass er wieder umgesetzt werden soll. Auch im Regierungsprogramm ist die Rede von einer "verfassungskonformen Regelung zur Überwachung unter anderem für verschlüsselte Nachrichten im Internet", wobei Details ausgespart wurden.

Wie das aussehen könnte, ist allerdings unklar – denn ob überhaupt eine Überwachung verschlüsselter Nachrichten verfassungskonform möglich ist, ist bei Rechtsexperten strittig, die Grundrechts-NGO Epicenter Works glaubt nicht, dass das technisch machbar ist. "Wie das möglich sein soll, erschließt sich uns nicht", sagen die Datenschützer Iwona Laub und Thomas Lohninger zum STANDARD. "Insgesamt bewerten wir eine Debatte um einen Bundestrojaner maximal als ein Ablenkungsmanöver vom Behördenversagen."

Bei ihrem letzten Anlauf wollte die Regierung eine Spionagesoftware einführen, die es ermöglichen soll, die Kommunikation in verschlüsselten Messenger-Diensten wie Whatsapp oder Signal auszulesen. Zum Einsatz hätte sie ab April 2020 kommen sollen, und zwar bei Verbrechen mit einer Strafobergrenze von mehr als zehn Jahren, bei einem Verdacht auf terroristische Straftaten oder bei Straftaten gegen Leib und Leben sowie gegen die sexuelle Integrität mit einer Strafobergrenze von mehr als fünf Jahren.

Grundrecht auf Privatsphäre bedroht

"Natürlich könnte man die Antwort des Verfassungsgerichts zu den konkret beanstandeten Punkten als Anleitung missverstehen, wenn man auf Biegen und Brechen zu einer völlig absurden Überwachungsmethode kommen will", sagen Laub und Lohninger. Der Verfassungsgerichtshof hatte beanstandet, dass es sich bei der verdeckten Überwachung von Nutzern um einen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht auf Privatsphäre handelt. Auch wäre eine physische Installation der Software vorgesehen gewesen, was gegen die Unverletzlichkeit des Hausrechts verstoßen hätte.

"Prinzipiell sollte sich der Staat dafür einsetzen, Software sicher zu machen", finden die Datenschützer. "Wenn der Staat plötzlich Sicherheitslücken fördert, um sie gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen, wird das für uns alle früher oder später zum Problem." (Muzayen Al-Youssef, 6.11.2020)