Die Tehwid-Moschee in Meidling, in der sich der Attentäter F.K. radikalisiert haben soll, wurde geschlossen.

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Wien – Vier Tage nach dem Terroranschlag in Wien gab es am Freitag die ersten personellen Konsequenzen aus dem offensichtlichen Behördenversagen beim Umgang mit dem Attentäter K. F. Doch der Rücktritt kam nicht von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), wie das insbesondere von seinem blauen Vorgänger Herbert Kickl in immer schärferem Ton gefordert wird. Nehammer sieht seinen eigenen Rücktritt nicht als geeigneten Ausdruck von politischer Verantwortung, sagte er bei einer Pressekonferenz. Vielmehr wolle er nun für die Beseitigung von Missständen in den konkreten Ermittlungen und der generellen Struktur des Verfassungsschutzes sorgen.

Verfassungsschutz-Chef geht

Die personellen Konsequenzen spielen sich – vorerst jedenfalls – auf Beamtenebene ab: Erich Zwettler, Chef des Wiener Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT), räumte am Freitag seinen Posten. Die Ermittlungspannen in seiner Behörde stellen sich nämlich jetzt als noch verheerender dar, als ohnehin schon bekannt war. Denn die Ermittler hatten im Sommer abgesehen vom Schreiben der slowakischen Polizei noch einen weiteren triftigen Hinweis auf die Gefährlichkeit des Wiener Attentäters erhalten. K. F. traf sich im Wissen des österreichischen Verfassungsschutzes im Juli mit Jihadisten aus Deutschland – ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass von seiner radikalislamistischen Ideologie weiterhin Gefahr ausging. *

Für eine erneute Inhaftierung des nur bedingt entlassenen Straftäters hätten die Ermittler also Gründe im Übermaß gehabt – oder, wie es der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl recht euphemistisch formulierte: "Die Gefährdungsanalyse hätte sich durchaus anders gestalten können." Auch jene Beamten, die für die Gefährdungsprognose von K. F. zuständig waren, wurden daher von ihrer Aufgabe abgezogen.

Behauptungen Pürstls, man habe nach der Meldung der Slowakei, dass K.F. Munition kaufen wollte, mehrmals nachhaken müssen, bis dessen Identität bestätigt wurde, wiesen die slowakischen Behörden am Freitag gegenüber dem Orf zurück. Österreich habe bereits am 10. September "unsere Behörden informiert, dass es gelungen ist, den Mann auf dem Foto zu identifizieren, von dem wir heute wissen, dass er der Täter des Terroranschlags war."

Hasserfüllte Ideologie

Konsequenzen gab es am Freitag auch für zwei Wiener Moscheen, in denen sich der Attentäter seine radikalislamistische Ideologie angeeignet haben soll. Es handelt sich um die Tewhid-Moschee in Meidling und die berüchtigte Melit-Ibrahim-Moschee in der Ottakringer Hasnerstraße, in der sich etwa auch der Bombenbastler Lorenz K. radikalisiert hatte.

Formell gesehen ist die Einrichtung in der Hasnerstraße aber keine Moschee, sondern nur ein Verein, zumal sie nicht von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) als solche anerkannt ist. Das Innenministerium hat daher ein Verfahren zur Vereinsauflösung eingeleitet.

Die Meidlinger Tehwid-Moschee hatte hingegen seit 2016 das Gütesiegel der IGGÖ. Das Kultusamt unter Ministerin Susanne Raab (ÖVP) ist aber nun zu dem Ergebnis gekommen, dass dort nicht die vom Islamgesetz geforderte positive Grundeinstellung zum österreichischen Staat und der Gesellschaft gelebt wird. Daher wurde kurzerhand die Schließung der Moschee angeordnet. Man wolle den Nährboden hasserfüllter Ideologie bekämpfen, sagte Raab. Die türkisen Minister müssen nun hoffen, dass ihre Vorgangsweise die kommenden Wochen auch juristisch überlebt. Denn bereits 2018 wurde von der ÖVP-FPÖ-Regierung medienwirksam die Schließung von Moscheen verkündet, die spornstreichs wieder aufsperren durften, weil ihre Auflösung bei Gericht nicht standhielt.

SPÖ für Verschärfung bei Ausbürgerung

Unterdessen flammt auch eine politische Debatte um Gesetzesverschärfungen zwecks Terrorbekämpfung auf – obwohl die geltende Rechtslage für eine Inhaftierung des Attentäters anscheinend ausreichend war. Aus der ÖVP gibt es etwa Vorstöße zur Einführung einer sogenannten "Sicherungshaft". Der SPÖ-Vizeklubchef hält das für ein Ablenkungsmanöver von Fehlern im jahrzehntelang ÖVP-geführten Innenressort – ohne konkreten Vorschlag brauche man das Thema Sicherungshaft nicht diskutieren, meint Jörg Leichtfried zum STANDARD. Er befürwortet aber eine Verschärfung im Staatsbürgerschaftsrecht.

Bei Doppelstaatsbürgern (wie K. F.), die wegen Terrorismus verurteilt sind, solle die Behörde die Staatsbürgerschaft entziehen müssen. Allein der Versuch, an Kampfhandlungen im Ausland teilzunehmen, wäre dafür bereits ausreichend, wenn es nach Leichtfried geht. Bei Terroristen, die nur die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, sei die Frage schwieriger, weil es eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Verhinderung von Staatenlosigkeit gibt. Ob man davon im Falle von Terroristen abweichen sollte, müsse im Zuge einer Reform geprüft werden. Allerdings sei zu bedenken, dass die dann staatenlosen Personen weiter ein Aufenthaltsrecht hätten, wodurch die von ihnen ausgehende Gefahr in Österreich bestehen bliebe.

Grüne abwartend, aber nicht ablehnend

Für den grünen Sicherheitssprecher Georg Bürstmayr gilt nun die Devise: "Nicht hudeln". Er könne Forderungen zu strengeren Gesetzen im Eindruck des Anschlags gefühlsmäßig gut verstehen, aber man müsse mit politischen Reformideen die Untersuchungskommission abwarten. Bevor man womöglich Verschärfungen beschließe, müsse man erst einmal prüfen, ob nicht die geltenden Instrumente zur Terrorbekämpfung genügen. Eine definitive Absage an eine Sicherungshaft oder eine Entziehung der Staatsbürgerschaft bei Terroristen äußert Bürstmayr nicht. (Theo Anders, 6.11.2020)