Die Gans ist ein prächtiger, im Flug sogar majestätischer Vogel. Ihre zarten Daunen machen aus Polstern kuschelige Wolken und aus Jacken flauschige Klimazonen. Ihre Leber ist unerreicht köstlich und kann einen Schmelz und eine Üppigkeit entwickeln, die im Tierreich selten ist, ihr Fett ist der natürliche Lebensraum bester Bratkartoffeln. Bei all diesen Vorzügen kann man es ihr nicht zum Vorwurf machen, dass sie sich nicht recht zum Braten eignet. (Fußnote 1)

Sicher, so eine Gans kann passabel, mit etwas Glück und Können sogar gut schmecken. So richtig köstlich aber wird sie nie sein. Im besten Fall kommt eine hervorragende Gans an eine mittelmäßige Ente heran (Fußnote 2) und kostet, so sie hoffentlich glücklich war, ziemlich viel. (Fußnote 3)

Jetzt verstehe und teile ich den Drang, gelegentlich einen besonderen Vogel zu genießen. Glücklicherweise hat die Natur genug andere schmackhafte hervorgebracht. Das Perlhuhn zum Beispiel.

Das Perlhuhn ist zumindest hierzulande kulinarisch unterschätzt und daher nicht so leicht zu bekommen.
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Das Perlhuhn ist ein bei uns völlig unterschätzter Vogel. Schon optisch macht es einiges her mit seiner herbstlaubgelben Haut und dem erfreulich dunklen Fleisch. Es schmeckt, wie wenn jemand bei einem Huhn den Geschmacksregler auf laut gedreht hätte – intensiv und köstlich nach Geflügel, mit einem zarten, aber nie unangenehmen Hauch von Wild.

Es ist weniger fett als eine Ente, kann aber in puncto Saftigkeit problemlos mit jedem noch so guten Haushuhn mithalten, und selbst seine Brust kann, zartrosa gebraten, entzücken – kurz, es ist so gut, dass ich nicht verstehe, warum es nicht viel häufiger zu haben ist. Gut, es ist etwas kleiner als ein ordentliches Huhn – so 1,2 bis 1,5 Kilo –, aber immer noch mehr als genug für zwei. (Der Australierin und mir bleibt sogar regelmäßig genug übrig für Perlhuhn-Reste-Lunch.)

Antike Delikatesse

Während das Haushuhn ursprünglich aus den Dschungeln Südostasiens stammt, ist das Perlhuhn in Subsahara-Afrika heimisch. In der Antike, erzählt mir Wikipedia, soll es bereits in Ägypten und Griechenland gezüchtet und als Delikatesse geschätzt worden sein, bevor es verschwand und erst von den Portugiesen im 15. Jahrhundert wieder aus Afrika mitgebracht wurde. Seither hat es sich zwar über die ganze Welt verbreitet, kann aber in puncto Beliebtheit bei weitem nicht mit anderen Hühnervögeln mithalten.

Ich gestehe, es auch erst diesen Sommer für mich entdeckt zu haben, seither kann ich aber kaum genug bekommen von ihm. Dieser wunderbare Stand am Karmelitermarkt bekommt jeden Donnerstag frische Perlhühner aus Italien geliefert. Ein Vogel, der mehr als genug ist für zwei, kostet etwa zwölf bis 15 Euro. Wer heimische Perlhuhn-Quellen kennt: bitte posten!

Falls Sie noch nie eines hatten: unbedingt ausprobieren! Ist besser, günstiger und auch viel einfacher zu Hause zu machen als eine Gans. Zum Am-Stück-Braten ist auch das Perlhuhn nicht perfekt. Zerlegt und im Schmortopf wird aber Großes aus ihm.

Perlhuhn in Reiswein-Pilz-Sauce

Die Reste eignen sich hervorragend kalt auf Toast. Am besten mit dem Perlhuhn im Rohr einen Kürbis mitbraten, dann am nächsten Tag Kürbisreste und Bratensaft zu einem Aufstrich vermischen, mit Perlhuhn belegen und genießen. Die Mischung aus Kürbis, Perlhuhnfett und Bratensauce erinnert entfernt an Foie Gras.

Sie brauchen:

  • mindestens ein Perlhuhn
  • Butter
  • Frühlingszwiebel
  • Ingwer
  • Knoblauch
  • Reiswein
  • getrocknete Pilze
  • Suppe
  • Sojasauce
  • Sauerrahm (optional)

Das Perlhuhn in Keulen, Flügel und Brüste zerlegen. Karkasse unbedingt für eine spätere Perlhuhn-Suppe aufheben.

Backrohr auf 160 Grad Ober- und Unterhitze vorheizen.

In einem schweren Bräter etwas Butter erhitzen und die Brüste auf der Hautseite anbraten, bis die Haut ordentlich Farbe genommen hat und knusprig geworden ist. Herausheben und für später zur Seite stellen.

In der gleichen Pfanne Beine und Flügel rundum bräunen, bis sie appetitlich aussehen. Ebenfalls herausheben. Falls Sie jetzt noch Zeit und Lust haben, mit der Karkasse ebenso verfahren.

Ein paar Frühlingszwiebel, ein wenig angequetschten Ingwer und Knoblauchzehen in den Topf werfen und braten, bis alles duftet. Mit nicht zu knapp Reiswein ablöschen und fast vollständig einkochen. Einige getrocknete Pilze, etwa Steinpilze oder Parasol-Stängel, zugeben, Perlhuhnbeine und -flügel mit der Hautseite nach oben in den Topf legen und gut salzen und pfeffern.

Foto: Tobias Müller

Mit etwas Hühnersuppe angießen (nur ein Schuss!), Deckel drauf und ab ins Rohr für etwa 45 Minuten. Dann Ofen auf 220 Grad Oberhitze drehen, Deckel runternehmen, Brüste mit Haut nach oben ebenfalls in den Topf legen (am besten so, dass sie die Haxn nicht bedecken) und im Rohr braten, bis die Haut knusprig ist, etwa weitere fünf bis zehn Minuten.

Aus dem Rohr holen und Perlhuhn aus dem Topf heben. Fünf Minuten rasten lassen und währenddessen die Sauce ein wenig einreduzieren. Von der Hitze nehmen und bei Lust, Laune und Verfügbarkeit mit einem Schuss Sauerrahm abschmecken.

Perlhuhn mit reichlich Sauce und einer Beilage, die ebendiese aufsaugt (Erdäpfel, Knödel, Kürbispüree ...) servieren.

Foto: Tobias Müller

Fußnote 1: Falls jetzt wer fragt, was man dann mit Gänsefleisch machen soll: Rillettes!

Fußnote 2: Ich glaube, dass ein gewisser Teil des kulinarischen Erfolgs der Gans (und des meist noch schlechteren Truthahns) schlicht an ihrer Größe liegt: Sie macht was her auf dem Teller.

Fußnote 3: Vor ein paar Wochen hatte ich die Ehre, eine konfierte Brust einer besonders edlen Weidegans zu verspeisen (Wenn man von einem Tier die Brust konfieren muss, sollte einem das zu denken geben, sagt Heinrich S. und hat wie immer recht.) Die Gans hat, so der Zubereiter, für 110 Euro den Besitzer gewechselt. Sie war ziemlich gut, aber für das Geld esse ich trotzdem ungleich lieber Steinbutt oder getrüffelte Bresse-Hühner.

(Tobias Müller, 9.11.2020)