Für FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl ist klar, dass der Terroranschlag in Wien hätte verhindert werden können.

Foto: APA/Herbert Neubauer

Wien – Die FPÖ erstattet aufgrund der Ermittlungspannen im Vorfeld des Terroranschlags in Wien Anzeige wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs. Gerichtet ist sie gegen unbekannte Täter innerhalb der Ermittlungsbehörden. Die Behörden hätten spätestens am 10. September über den versuchten Munitionskauf des späteren Wien-Attentäters in der Slowakei Bescheid gewusst, aber keine Anzeige erstattet und weder die Staatsanwaltschaft noch die Justizbehörden informiert, lautet der Vorwurf.

In der der APA vorliegenden Anzeige wird darauf verwiesen, dass die österreichischen Behörden schon am 23. Juli über den versuchten Munitionskauf in Kenntnis gesetzt wurden. Das geht aus einem schon am Mittwoch bekannt gewordenen Schreiben der slowakischen Kriminalagentur hervor. Am 10. September informierte laut diesem Schriftstück dann die österreichische Verbindungsstelle von Europol die slowakischen Behörden darüber, dass einer der beiden gescheiterten Munitionskäufer der österreichischen Polizei bereits damals in Zusammenhang mit Terrorismus bekannt gewesen ist. Zudem wurde darauf verwiesen, dass der Betroffene – der spätere Wien-Attentäter – im Jahr 2019 in einem Terrorprozess als IS-Sympathisant zu 22 Monaten Haft verurteilt worden war.

FPÖ beruft sich auf "führende Justizvertreter"

FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz brachte die Anzeige bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ein. Darin wird auch erwähnt, dass Informationen an die Abteilungen "Nachrichtendienst" sowie "Terrorismus und Extremismus" im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ergangen sein sollen. Quelle dafür ist ein Bericht des Nachrichtenportals zackzack.at. Auch das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT Wien) sei informiert worden.

Es sei kein Anlassbericht an die Staatsanwaltschaft erstattet worden, schreibt die FPÖ in ihrer Anzeige. Außerdem sei das Gericht, das die Bewährungsauflagen überprüft, nicht über den Verdacht des Munitionskaufs informiert worden. Der Mann war im Dezember 2019 bedingt entlassen worden.

FPÖ wirft wissentliche Unterlassung "sämtlicher Ermittlungsschritte" vor

"Führende Justizvertreter" würden bestätigen, dass davon auszugehen sei, dass der spätere Attentäter in Haft genommen worden wäre, hätte die Justiz Kenntnis über den versuchten Munitionskauf erlangt, so die FPÖ. Denn bei einem Gefährder hätte diese Aktion für den Anfangsverdacht gereicht, dass neuerlich strafbare Handlungen in Planung sind.

Es liege daher der begründete Verdacht vor, dass die Behörden durch das "wissentliche Unterlassen sämtlicher Ermittlungsschritte" bzw. das "wissentliche Unterlassen ihrer Anzeige- und Berichtspflicht an die Justizbehörden" vorsätzlich "ihre Befugnis als Organ wissentlich missbraucht haben", heißt es in der Anzeige.

SPÖ fordert Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts

Die SPÖ pocht unterdessen auf Verschärfungen beim Staatsbürgerschaftsrecht. "Wenn sich jemand einer terroristischen Organisation anschließt und an Kampfhandlungen teilnehmen will, dann hat er auch kein Recht, die österreichische Staatsbürgerschaft zu besitzen. Eine Person mit der Vorgeschichte des Täters darf nicht die österreichische Staatsbürgerschaft haben und darf sich nicht in Österreich aufhalten", sagt SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried.

"Wir wollen rechtliche Verschärfungen, sodass die Behörde beim Vorliegen bestimmter Tatbestände die Staatsbürgerschaft entziehen muss", bekräftigte Leichtfried die Forderung des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig. Nach derzeitigem Bundesgesetz sei das nämlich nicht möglich. "Es hat bekanntlich ein Verfahren beim Wiener Magistrat gegeben, um dem späteren Attentäter mit Doppelstaatsbürgerschaft die österreichische zu entziehen, weil dieser den Versuch unternommen hatte, sich dem IS in Syrien anzuschließen." Da man ihm keine aktive Teilnahme an Kampfhandlungen nachweisen konnte, war die Aberkennung rechtlich nicht möglich. "Hier muss das Gesetz geändert werden", fordert Leichtfried.

Auch im Fall einer drohenden Staatenlosigkeit soll eine Aberkennung möglich sein, so Leichtfried. "Die Regierung ist aufgefordert, eine entsprechende rechtliche Lösung vorzulegen."

"Aktion scharf" in Gefängnissen

Die Justizanstalten haben am Samstag eine "Aktion scharf" durchgeführt und dabei einige Beschlagnahmungen gemacht. 229 Insassen, die wegen Terrorismusdelikten inhaftiert sind, Radikalisierungstendenzen oder sonstige Auffälligkeiten zeigten, wurden überprüft, sowie 168 Hafträume, teilte das Justizministerium Samstagfrüh mit.

Zwölf Justizanstalten haben Funde gemeldet, die einer eingehenden Prüfung unterzogen werden. Es handle sich dabei größtenteils um Schriftstücke, die nun auf extremistische Hintergründe überprüft werden. Über die Ergebnisse wurden die zuständigen Landesämter für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung informiert bzw. Anzeige an die Staatsanwaltschaft erstattet, hieß es in der Aussendung des Ministeriums.

Der Besitz von Mobiltelefonen, Internet- oder USB-Sticks etc. ist Insassen verboten. Dennoch werden Wege gefunden, unerlaubte Gegenstände in die Justizanstalt zu bringen. Zur Abwehr solcher Vorfälle werden laufend Gefahren- und Risikoanalysen durchgeführt. Zuletzt fand eine umfassende Analyse im Oktober statt. (APA, red, 7.11.2020)