Die Maya-Stadt Tikal ist über 2.000 Jahre alt. Ihre wichtigsten Bauten entstanden bereits im 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, hier der Große Platz mit der Nordakropolis und dem Tempel I.

Foto: imago/robertharding

Die meisten von uns haben die Ruinen von Tikal schon einmal gesehen, ohne sie vermutlich als solche wahrgenommen zu haben: Die Tempelanlagen der antiken Maya-Stadt, die im Norden des heutigen Guatemala liegt, waren Kulisse im Kultfilm Star Wars: Episode IV – Eine neue Hoffnung, besser bekannt als Krieg der Sterne. In diesem Science-Fiction-Klassiker, der 1977 in die Kinos kam, war Tikal ein Ort auf dem Planeten Yavin IV.

Die beeindruckenden Stufentempel der Maya-Stadt sind erstaunlich alt: Tikal wurde vermutlich bereits vor rund 2200 Jahren gegründet, und schon im 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung wurde mit der Errichtung der Tempelkomplexe begonnen, die heute Unesco-Weltkulturerbe sind. Die Blütezeit Tikals dauerte rund ein Jahrtausend lang, ehe die Stadt vor ziemlich genau 1000 Jahre aufgegeben wurde.

Frühe Millionenstadt?

Tikal erstreckt sich über eine recht große Fläche von etwa 65 Quadratkilometern. Der zentrale Bereich umfasst rund 16 Quadratkilometer und weist über dreitausend Bauten auf. Dank Bodenradaruntersuchungen aus dem Jahr 2018 weiß man heute, dass es in den Außenbereichen der Stadt zehntausende Gebäude gegeben haben muss, die noch nicht freigelegt wurden.

Nicht nur die imposanten Ruinen von Tikal verweisen auf eine technologisch höchst innovative Hochkultur.
Foto: imago/robertharding

Der allerbeste Zeit der Stadt war vermutlich im 8. Jahrhundert in der klassischen Periode. Damals dürften mindestens 50.000 Menschen im Zentrum und – wie man erst seit 2018 vermutet – bis zu eine Million Menschen in den Außenbezirken und der näheren Umgebung der Stadt gelebt haben. Damit wäre sie eine der größten Ansiedlungen der damaligen Zeit gewesen.

Auch wenn Tikal heute zu den am besten erforschten Maya-Städten zählt, weiß man längst noch nicht alles über sie. Insbesondere die neuen Entdeckungen aus dem Jahr 2018 werden etliche neue Fragen auf. Immerhin konnte nun ein Rätsel gelöst werden: das nämlich, wie die Bewohner der Stadt während der Trockenzeit, die ungefähr von November bis April dauert, die Wasserversorgung sicherstellten.

Das Speichern von Wasser in eigenen Reservoirs ist zwar prinzipiell möglich, doch wie stellten die Maya sicher, dass dieses Wasser sauber war und trinkbar blieb? Ein US-Forscherteam dürfte nun dem Geheimnis der antiken Wasserversorgung auf die Spur gekommen sein. Und dieses Wasserreinigungssystem ist so modern, dass es fast schon wieder nach Science Fiction klingt.

Sedimente als Hinweisgeber

Um das Rätsel zu lösen, untersuchten die Geoarchäologen um Kenneth Tankersley und Nicholas Dunning (Universität von Cincinnati) zunächst einmal bis zu 2.185 Jahre alte Sedimente aus mehreren Wasserspeichern, die in Tikal existierten. Die Forscher stellten dabei zum einen fest, dass einer der größten Wasserspeicher namens Corriental deutlich weniger Verunreinigungen aufwies als alle anderen.

Konkret fanden sich in diesem Reservoir weniger Schwermetalle, weniger toxinproduzierende Algen und weniger Mineralien, die mit Fäkalien in Verbindung gebracht werden. Sprich: Die Wasserqualität in diesem Speicher war viel höher.

Die Stadt Tikal und ihre Wasserspeicher auf einer Bodenradaraufnehme, links unten das Reservoir Corriental.
Foto: Tankersley et al., Scientific Reports 2020

Bei detaillierten Analysen der Sedimente entdeckten die Forscher zum anderen vier verschiedene, jeweils wenige Zentimeter dicke Schichten millimetergroßer Quarzkristalle. Bei genaueren Analysen des Quarzsandes zeigte sich, dass er noch kleinere Kristalle enthielt, sogenannte Zeolithen. Diese vulkanischen Mineralien – kristalline Alumosilikate – können Wasser reinigen, indem sie sowohl Mikroben als auch Schwermetalle mit ihrer porösen Struktur binden. Deshalb kommen Zeolithfilter auch heute bei der Wasserreinigung zum Einsatz.

Die Forscher vermuten, dass die Maya vor über 2.000 Jahren zwar nichts von den Zeolithen im Gestein ahnten, dafür aber um dessen reinigende Fähigkeiten wussten. Um die natürlichen Wasserfilter heranzuschaffen, war übrigens einiger Aufwand nötig: Ihr wahrscheinlicher Herkunftsort sind quarz- und zeolithreiche Gesteinsformation etwa 30 Kilometer nordöstlich von Tikal, wie das Forscherteam im Fachblatt "Scientific Reports" schreibt. Die Verwendung des Gesteins war mithin von langer Hand geplant.

Keine konkreten Beweise

Tankersley und Kollegen müssen freilich eingestehen, dass es keine Hinweise gibt, wie das Filtersystem von Corriental konkret funktionierte. Sie vermuten aber, dass geflochtene Schilfmatten mit quarz- und zeolithhaltigem Gestein, die im Zufluss angebracht worden sind, als Filter fungierten. Das würde auch die Quarz- und Zeolithschichten in den Sedimenten erklären: Diese Matten sind vermutlich regelmäßig in der Regenzeit von Sturzfluten weggespült worden.

Für Erstautor Kenneth Tankersley ist jedenfalls klar, dass diese Entdeckung der traditionellen Auffassung widerspricht, dass sich das technologische Können der antiken Welt auf Orte wie Griechenland, Rom, Ägypten und China beschränkte: "Wenn es um die Reinigung von Wasser geht, waren die Maya Jahrhunderte voraus." (Klaus Taschwer, 14.11.2020)