Die Polizei sperrte in Minsk Straßen und nahm mehr als 100 Menschen fest, die gegen Lukaschenko demonstrierten.

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Uniformierte in Sturmhauben sind in Belarus in Hundertschaften gegen neue Proteste gegen Machthaber Alexander Lukaschenko vorgegangen. In der Hauptstadt Minsk wurde eine Demonstration von Sicherheitskräften aufgelöst, die Menschen verstreuten sich anschließend in kleineren Gruppen in der Stadt. Das Menschenrechtszentrum Wesna listete auf seiner Internetseite spring96.org mehr als 550 Namen von angeblich festenommenen Personen auf.

Unter ihnen befanden sich der Zehnkämpfer und Olympia-Silbermedaillen-Gewinner Andrej Krautschenko und der Kickboxer Iwan Ganin, wie die belarussische Stiftung für Solidarität im Sport mitteilte. Beide hatten unlängst eine Petition von 1.000 Sportlern des Landes unterzeichnet, in der Neuwahlen gefordert wurden.

Tausende Demonstranten

Auf Videos und Fotos war zu sehen, wie Uniformierte teils ohne Erkennungszeichen friedliche Menschen brutal auf den Boden drückten und in Gefangenentransporter zwängten. An mehreren Stellen der Stadt ging die Sonderpolizei OMON gegen Menschengruppen vor, die versuchten, sich im Stadtzentrum zu versammeln. Wie jeden Sonntag seit Wochen waren Tausende Menschen auf den Straßen unterwegs. Auch in anderen Städten gab es Demonstrationen für einen Rücktritt Lukaschenkos.

Die U-Bahn-Stationen in Minsk waren gesperrt, damit Demonstranten nicht ins Stadtzentrum gelangen konnten. Auch das mobile Internet war weitgehend abgeschaltet – so sollte die Verabredung zu Versammlungen in der Stadt erschwert werden. Truppen sperrten mehrere Straßen – teils mit schwerer Technik.

"Lang lebe Belrarus"

Trotz des Demonstrationsverbots und der Gewaltandrohung der Behörden marschierten Menschenzüge auf mehreren Straßen der Stadt – mit den historischen weiß-rot-weißen Flaggen. Sie skandierten: "Lang lebe Belarus!". Die Behörden hatten für auch eine Autokorso-Aktion der Unterstützer Lukaschenkos angekündigt.

"Die Macht gehört dem Volk!", teilte die Demokratiebewegung in Minsk mit. Die Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja, die von der Bewegung als Siegerin der Präsidentenwahl vom 9. August angesehen wird, begrüßte, dass die Menschen ohne Furcht und mit Ausdauer gegen Lukaschenko um ihre Freiheit kämpften. "Schon seit 90 Tagen leisten wir Widerstand gegen Gesetzlosigkeit und Gewalt", sagte sie in ihrem Exil in der EU.

In Belarus kommt es seit der umstrittenen Präsidentenwahl am 9. August immer wieder zu Protesten gegen Lukaschenko. Der Autokrat hatte sich mit 80,1 Prozent der Stimmen nach 26 Jahren an der Macht erneut zum Sieger erklären lassen. Die Opposition sieht dagegen Tichanowskaja als wahre Gewinnerin an. Der Machtapparat geht immer wieder brutal gegen friedliche Demonstranten vor. Es gab bereits mehrere Tote, Hunderte Verletzte und Tausende Festnahmen. (APA, red, 8.11.2020)