Obwohl gigantische Räuber wie Tyrannosaurus rex, Spinosaurus und Co. zu den Ikonen des Dinosaurier-Zeitalters zählen, ist über das Fressverhalten dieser Urzeitjäger bis heute nur wenig bekannt. Die Entdeckung eines regelrechten Fressplatzes im heutigen Junggar-Becken im Nordwesten Chinas vor einigen Jahren erwies sich deshalb in diesem Zusammenhang als seltener Glücksfall. Bei der Spurenanalyse konnte sich nun ein Team von der Universität Tübingen ein einigermaßen genaues Bild vom Gelage am Kadaver eines großen sauropoden Dinosauriers aus dem späten Jura machen.

160 Millionen Jahre alte Festtafel

Der Körper des rund 20 Meter langen Langhalssauriers aus der Gruppe der Mamenchisauridae diente offenbar gleich mehreren Dinosauriern als Nahrung. Davon zeugen jedenfalls Bissspuren auf den Knochen sowie mehrere zu den Spuren passende Dinosaurierzähne, die neben den Knochen gefunden wurden.

Ob der Sauropode Opfer einer Jagd geworden war oder eines natürlichen Todes starb, lässt sich heute nicht mehr feststellen.
Illustr.: Xing Lida

Das Team um den kürzlich verstorbenen Professor Hans-Ulrich Pfretzschner (Uni Tübingen) geht aufgrund der immensen Zahl an Gebissabdrücken davon aus, dass der Kadaver über einen längeren Zeitraum als Fressplatz diente. Die Knochen und Zähne blieben dabei durch günstige klimatische und geologische Bedingungen über 160 Millionen Jahre im Zusammenhang erhalten.

"An dem Kadaver des Langhalssauriers aus der Familie der Mamenchisauriden haben mindestens ein großer fleischfressender Saurier von rund 7,5 Metern Länge und ein kleinerer von etwa drei Metern Länge gefressen", sagt Felix Augustin, der Erstautor der im Fachjournal "Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology" erschienenen Studie. Die meisten Bissspuren auf den Knochen und vier Zähne stammten von dem großen Fleischfresser aus der Gruppe der Carnosaurier. "Teilweise passen die Zähne genau in die Löcher in den Knochen hinein", berichtet er. Anzunehmen sei, dass den Tieren die Zähne beim Fressen ausgefallen seien.

Die Grabung im Junggar-Becken in Nordwest-China brachten einen Fressplatz aus dem Oberjura ans Licht.
Foto: Universität Tübingen

Kleiner Fleischfresser und frühe Säuger

Der kleinere fleischfressende Dinosaurier, der zu dem Fressplatz kam, ließ sich aufgrund eines weiteren Zahnfunds den Coelurosauriern zuordnen, einer diversen und global verbreiteten Sauriergruppe. Deutlich kleinere Bissspuren am selben Gerippe des Langhalssauriers hatte das Forscherteam in einer früheren Studie bereits als früheste bekannte Nachweise beschrieben, dass Säugetiere Dinosaurierfleisch fraßen.

Die Funde stammen aus dem heutigen Junggar-Becken in der Provinz Xinjiang im Nordwesten Chinas. Dort hatten Forscher einer chinesisch-deutschen Expedition im Jahr 2000 neben dem Sauropodenüberresten auch zahlreiche Fossilien von Wirbeltieren wie Schildkröten und Krokodilen, Dinosauriern und Säugetieren aus dem Jura, der Zeit etwa 160 Millionen Jahre vor heute, ausgegraben. Die Knochen und Zähne werden zurzeit in Tübingen aufbewahrt und wurden seit dem vergangenen Jahr in der Wirbeltierpaläontologie erneut gesichtet.

Links: Die Zähne eines großen fleischfressenden Dinosauriers wurden bei der Fundstelle Liuhuanggou im südlichen Junggarbecken entdeckt. Rechts: Die Dinosaurierknochen eines Langhalssauriers mit Bissspuren (Pfeile). Der Maßstab (schwarze Linie) entspricht einem Zentimeter.
Fotos: Uni Tübingen

Zertrampeltes Gerippe

Viele Knochen des Langhalssauriergerippes waren vielfach gebrochen, teilweise sogar zersplittert. "Ein großes Tier muss beim Besuch am Fressplatz die Knochen regelrecht zertrampelt haben, vermutlich waren das die großen fleischfressenden Saurier", sagt Augustin. Anders hätten sich die Funde aus dem Oberjura nicht erklären lassen. Manche der Knochen seien möglicherweise teilweise oder ganz gefressen worden. "Beides kommt bei fleischfressenden Dinosauriern selten vor. Bisher ist es hauptsächlich von Tyrannosauriern bekannt." (red, 8.11.2020)