Paul Celan mit Nani und Klaus Demus 1955 auf der Waterloo Bridge in London.

ORF/Susanne Ayoub

Regisseurin Susanne Ayoub und Klaus Demus.

ORF/Susanne Ayoub

Paul Celan war einer der wichtigsten deutschsprachigen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Er war seiner Zeit vor aus. In den späten 1940er-Jahren thematisierte er die Schrecken nationalsozialistischer Lager – er hatte sie selbst erlebt – in Form des Gedichtes Todesfuge. Der damaligen Literaturkritik erschien diese lyrische Herangehensweise zu pathetisch. Heute ist das Gedicht sogar in vielen Schulbüchern abgedruckt.

Insgesamt ist das Werk des in Czernowitz in der heutigen Ukraine geborenen Sohnes einer jüdischen Familie, der seinen Namen Antschel, rumänisch Ancel, in Celan umkehrte, von Versuchen bestimmt, Grenzerfahrungen literarisch zu verarbeiten. Diese prägten den vom nationalsozialistischen Terror tief Verletzten. Wie sehr, bringt der Film "Antschel" der in Wien lebenden österreichisch-irakischen Schriftstellerin, Journalistin und Filmemacherin Susanne Ayoub zum Ausdruck.

Wegweiser durch diesen Streifen ist ein Gespräch mit Klaus Demus, der Celan im Wien der frühen Besatzungszeit kennenlernte. Der österreichische Kunsthistoriker und Lyriker blieb Celans kritischer Freund – auch als dieser, inzwischen nach Paris übersiedelt, psychisch erkrankte und einem Verfolgungswahn verfiel, bevor er sich selbst tötete.

Auch eröffnet die künstlerische Dokumentation den Zusehenden viel Raum, um nachzudenken – etwa wenn Zeilen aus Celans Gedichten mit Füllfeder Wort für Wort aufgeschrieben und mit assoziativen Szenen unterlegt werden. Einziger Minuspunkt rund um diesen Film ist der Sendetermin: nachts von Montag auf Dienstag um null Uhr. Aber zum Glück gibt’s ja die TVthek. (Irene Brickner, 9.11.2020)