Für viele Buchhändler wird ihr Beruf nach Monaten der Corona-Krise zum Kraftakt. Andere stehen ganz gut da.

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Foto: Margit Marnul

Die wichtigsten Wochen des Bücher-jahres liegen vor uns: das Weihnachtsgeschäft. Deswegen wird heute Nachmittag der Gewinner oder die Gewinnerin des Österreichischen Buchpreises verkündet, wegen des Lockdowns aber ohne Feier. Und deswegen hätte diese Woche auch die Buch Wien stattgefunden – wäre da nicht Corona. Letztes Jahr zählte die wichtigste heimische Buchmesse bei 385 Ausstellern über 50.000 Besucher – ein wichtiger Impuls für die Branche. In normalen Jahren macht der Buchhandel in diesen Wochen ein Drittel seines gesamten Umsatzes, und nicht wenige Buchhändler brauchen das Weihnachtsgeschäft, um für das Jahr überhaupt positiv zu bilanzieren. Statt Normalität befinden wir uns aber im zweiten Lockdown. Und jetzt?

Auf den ersten Blick ist die Buchbranche bisher gar nicht so schlecht durch die Pandemie gekommen. Nach den Lockdown-Monaten März und April mit minus 41 und minus 65 Prozent Umsatz haben die Verkäufe über den Sommer wieder angezogen, und die Zahlen lagen im Mai, Juli und August nur mehr knapp unter denen des Vorjahres. Im Juni gab es sogar ein Plus von 14,4 Prozent, im September von 7,9 und im Oktober immerhin von 3,8 Prozent. Das macht kumuliert für das bisherige Jahr nur ein leichtes Minus von 4,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Viele Branchen hat es schlimmer erwischt.

Minus zwölf Prozent Umsatz

Doch die Zahl täuscht etwas über die wahren Einbrüche hinweg, sagt Helmut Zechner von der Buchhandlung Heyn in Klagenfurt. Er ist zugleich Vorsitzender des Österreichischen Buchhändlerverbands und hat die Statistik aufgedröselt. Das kleine Minus ergibt sich nur, wenn man den Gesamthandel betrachtet – also den Onlineriesen Amazon einbezieht. Rechnet man den heraus, ergebe sich für den heimischen stationären Buchhandel und dessen Onlineshops ein kumuliertes Jahresminus von zwölf Prozent.

Zwar könne man inzwischen sagen, viele kleinere Buchhandlungen mit starker Kundenbindung und gutem Onlineshop hätten die Krise in Kombination mit Kurzarbeit bisher "überraschend schadlos" überstanden. Doch seien Geschäfte wie seines "Ausnahmen. Dem Großteil geht es im Schnitt nicht gut." Detailzahlen auch zu etwaigen Schließungen kann Zechner aber nicht nennen.

Für ihn jedenfalls hat sich der Onlineboom als nachhaltig erwiesen. Er verzeichnete noch im September etwa 40 Prozent mehr Onlineumsatz als im Vorjahr, viele Neukunden haben vorher bei Amazon gekauft. Tatsache ist aber auch, dass ihm Onlinebestellungen aufgrund des gratis Portos und der Verpackungskosten etwa zehn Prozent weniger Deckungsbeitrag einbringen. "Solange Amazon das so handhabt, ist das einfach Marktbedingung. Wir fangen ab 22 Euro Bestellwert an, einen Deckungsbeitrag zu haben, darunter legen wir drauf." Kein Wunder, lieferten im ersten Lockdown viele Buchhändler per Fahrrad an ihre Kunden.

Halbe Mehrwertsteuer

Auch deshalb hilft die Halbierung der Mehrwertsteuer für Bücher auf fünf Prozent, mit der die Regierung auf die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie reagiert hat, dem Buchhandel. Weil der Erlösanteil der Autoren sowie Verlage am nun höheren Nettoverkaufspreis berechnet wird, profitieren neben dem Handel auch diese davon. Umso besorgter ist die Branche, dass die Aktion entgegen früheren Ankündigungen nun doch nicht über Dezember hinaus verlängert werden könnte, wie die Salzburger Nachrichten meldeten. Auf Nachfrage verweisen Finanz- und Kulturministerium auf laufende Verhandlungen. Aus der Branche hört man, es soll an der ÖVP haken. "Passiert das, krachen dutzende Buchhandlungen weg", warnt Zechner.

Benedikt Föger vom Hauptverband des Österreichischen Buchhandels ist deshalb ebenfalls besorgt. Für die meisten Verlage weiß er heuer von Umsatzrückgängen. Doch sei es oft schwer zu sagen, worin diese wirklich begründet liegen. Generell seien Zahlen "sehr titelabhängig. Besonders kleinere Verlage leben eben auch stärker von Veranstaltungen und engagierten Auftritten ihrer Autoren." Er bemerkt also verstärkte Social-Media-Aktivitäten – die jedoch professionell gemacht Geld kosten, was Große wieder bevorteilt. Der deutsche Holtzbrinck-Konzern hat etwa gerade textouren.de gestartet, um auf teils kostenpflichtige Onlinelesungen hinzuweisen.

Fragt man Verlage, so ist Zsolnay dank starker Titel "überraschend gut" durch die Krise gekommen. Ebenso Jung und Jung, dessen Bücher heuer oft auf Long- und Shortlists für Preise standen. "Allerdings haben wir ein sehr schmales Herbstprogramm – alle Autoren, die Lesungen machen könnten, haben wir geschoben, damit sie nicht ins Corona-Loch kommen. Entsprechend werden die Erlöse im Herbst nicht dieselben sein wie 2019." Beim kleinen Verlag Milena betont man die treuen Kunden, aber auch die erhöhte Verlagsförderung. "Ohne wäre es ein trauriges Jahr gewesen." Eine solche Erhöhung um ein Drittel ist laut Föger auch für 2021 geplant. Die Buchpreisbindung gibt Mindeststabilität.

Abstandsregelkonformer Kundenservice

Den Onlineboom hat auch Thalia gespürt und "in Summe seit Ende des Lockdowns mehr Bücher verkauft als im selben Zeitraum letzten Jahres", sagt Geschäftsführer Thomas Zehetner. Die größte Buchhandelskette hierzulande versucht seit langem, online und stationär besser zu verquicken. Bis zu zehn Prozent des Umsatzes kommen in den Geschäften aus Onlinebestellungen, die dort abgeholt werden. Seit Ende Oktober bietet man an drei Standorten in Wien auch rund um die Uhr geöffnete Abholautomaten an, Kunden können per App Bücher im Laden selbst scannen und bezahlen ("Scan & Go"). Auch ein Abomodell für Hörbücher und eine Flatrate für E-Books passen neuerdings gut zum pandemischen Gebot, Abstand zu halten.

Die Sorge, dass es wegen weniger Feiern weniger Gelegenheit zum Schenken gibt, ist da. Eine Zuversicht speist sich aber daraus, dass Kunden in Krisen häufiger zum günstigen Geschenk Buch greifen als zu teuren Ski. (Michael Wurmitzer, 9.11.2020)