Es gehört eine Portion Courage dazu, im Oktober 2020 ein Buch herauszubringen, dessen Inhalt – beziehungsweise die Frage, wie die darin erzählte Geschichte weitergeht – ganz eng mit dem Ausgang der kurz darauf stattfindenden US-Präsidentschaftswahlen zusammenhängt. Man kann Guido Steinberg andererseits nur dankbar sein, dass er mit Krieg am Golf. Wie der Machtkampf zwischen Iran und Saudi-Arabien die Weltsicherheit bedroht das solide Fundament legt für das Verständnis dessen, was sich jetzt, nach der Abwahl von Donald Trump, an dieser Front entwickeln könnte.

Guido Steinberg, "Krieg am Golf. Wie der Machtkampf zwischen Iran und Saudi-Arabien die Weltsicherheit bedroht". € 20,– / 357 Seiten. Droemer, München 2020
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Es ist zweifellos jene Front im Nahen Osten, die das größte Eskalationspotenzial hat. Steinberg nennt die Auseinandersetzung zwischen Teheran und Riad den "Kernkonflikt" der Region, der alle anderen in den Hintergrund drängt. Beeinflusste etwa früher der Israel-Palästina-Konflikt die Politik in Teheran und Riad, so ändert die iranisch-saudische Auseinandersetzung heute die arabische Politik vis-à-vis Jerusalem und Ramallah, wie die Normalisierungswelle zwischen Israel und arabischen Staaten zeigt.

Von der Hisbollah bis zu den Huthis

Der Islamwissenschafter und Politologe Guido Steinberg, der an der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin tätig ist, ist vor allem für seine Expertise über die sunnitische islamistische und jihadistische Szene – auch in Österreich – bekannt. In seinem neuen Buch sieht er sich nun unter anderem jene Gruppen an, die im Auftrag Teherans agieren, von der libanesischen Hisbollah, die – gemeinsam mit anderen Schiitenmilizen – an der Seite Bashar al-Assads in Syrien kämpft, bis zu den jemenitischen Huthis, die nominell die Verantwortung für jene Operation im Sommer 2019 übernahmen, die in der Folge zum Ausbruch eines vollen Kriegs hätte führen können: den Angriff auf saudische Ölanlagen.

Steinberg zeichnet die Ereignisse mit der für ihn üblichen Sorgfalt – aber dennoch auch für den Laien gut lesbar – nach, die zur Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani und des irakischen Milizenführers Abu Mahdi al-Muhandis am Flughafen in Bagdad führten – und danach zum Abschuss einer ukrainischen Passagiermaschine durch iranische Abwehrraketen. Der Gewaltzyklus wurde danach nicht gestoppt, aber gebremst. Doch gerade vor den US-Wahlen hielten Beobachter eine Eskalation als sogenannte Oktober-Überraschung für durchaus möglich.

Die USA auf dem Rückzug

Was nun auf die "Maximum Pressure"-Politik Donald Trumps auf den Iran folgt, bleibt zu sehen. Steinberg wagt die düstere Prognose, dass der Iran, veranlasst durch die Ereignisse der vergangenen Jahre, "nicht mehr davon abzubringen sein wird, eine Atombombe zu bauen". Und Saudi-Arabien könnte nachziehen, denn das Vertrauen, dass die USA die iranische Atombewaffnung verhindern würden, ist gering: Barack Obama war dem Iran mit dem Atomdeal 2015 entgegengekommen, aber auch Trump war ja letztlich nicht dazu bereit, für seine Verbündeten am Golf in den Krieg zu ziehen. Die USA sind auf dem Rückzug aus dem Nahen Osten – und die Gefahr für Europa, den Preis für kommende Verwerfungen zahlen zu müssen, wächst. (Gudrun Harrer, 9.11.2020)