"Im Zentrum" diskutierte am Sonntag den Terroranschlag in Wien.

Screenshot: tvthek.orf.at

Ob der Spruch "Mögest du in interessanten Zeiten leben!" aus China kommt, mag ungeklärt sein. Dass es sich um einen Fluch handelt, ist allerdings seit letzter Woche gewiss: Steigende Corona-Zahlen, Auszählmarathon in den USA, die Morde in der Wiener Innenstadt. Die Gemengelage vermittelt auch das glühende TV-Gefühl, auf dem Nachrichtengriller zu sitzen.

Dies hätte Stoff für drei Folgen von Im Zentrum ergeben. Allerdings schien irgendwer auch diesen ORF-Moment mit einem Fluch belegt zu haben, der sich naheliegenderweise dem Thema "Anschlag" widmen wollte. Statt Ursachenerforschung wirkte er wie ein Wettbewerb der Verteidigungsreden.

Die Imitatoren der Originale

Mit Innenminister Karl Nehammer, Justizchefin Alma Zadić und Herbert Kickl (FPÖ), welche der Einladung nicht folgen konnten, hätten die politischen Apologien und Schuldanwürfe zumindest authentisch gewirkt. Lästig chancenlos hingegen die Imitatoren der Originale: Wenn Karl Mahrer (ÖVP-Sicherheitssprecher) zur Laudatio auf den Innenminister ausholt und später Herbert Kickl als "Gefahr" bezeichnet, nimmt das Michael Schnedlitz (FPÖ) zwar gerne auf. Er nennt es "schäbig" und verlangt, man möge doch "Kickls Reform zu Ende" führen.

Es kippt der Abend jedoch nur selten in solch gehässig-skurrile argumentative Regionen, welche die Protagonisten fast karikaturenhaft erhellen. In der Hauptsache machte man sich’s hinter Phrasenmauern bequem.

Wer Zeuge war, bezog die Frage "Wie konnte das passieren?" bald nicht mehr ausschließlich auf die Morde. Er meinte auch den Charakter dieser Sendung, den immerhin Terrorexperte Nicolas Stockhammer versachlichte. (Ljubiša Tošic, 9.11.2020)