Ein Bischof und ein Psychiater führen Zwiesprache, unterhalten sich über das, was man nicht kaufen kann, nicht zur Schau stellen, nicht auf Insta posten und nicht in die Bilanz schreiben kann, etwas, das wir uns alle sehnlich wünschen und kaum je fühlen: wirklichen Trost. Nicht Vertröstung, nicht Positive Wording, nicht schneller Gewinn von Optimierung, nicht Verdrängung und schon gar nicht Ignoranz.

Diese essayistische Unterhaltung ist ein tiefes Gegenstück zu üblichen Coachingmethoden, die Arbeitsfähigkeit und Hunger nach "mehr" und "weiter" wiederherstellen wollen. Der Bischof Hermann Glettler und der Psychiater Michael Lehofer haben ein anderes Anliegen und eine andere Absicht, nämlich aus dem Schatz der Bibel und aus psychiatrischen Erkenntnissen inklusive der Lebenserfahrung beider das zugänglich zu machen, was Menschen wirklich trägt, was ermöglicht, in aller Verwundung, bei allen Verlusten und Krisen Ja zur Welt zu sagen, eine persönliche Antwort auf Schmerz und Unverständnis zu finden, ein Ja, das nichts mit weiter, schneller, besser, einem zweiten Carport oder einem nächsten Karriereschritt zu tun hat.

Es ist ein liebevolles Buch, ein gescheites und herzvolles Buch, es ist das Gegenstück zur tonnenweise aufliegenden flachen Ratgeberliteratur. Ein Buch zum Eintauchen und Sich-Finden in Tiefen, die nur selten besprechbar sind und deren Sinn und Worte in den vergangenen Jahren immer mehr verdrängt wurden, abtrainiert wurden. Es geht um Empathie und letztlich um die Möglichkeit zu erleben, dass Trösten Trost beinhaltet, zu spüren, welche großen Geschenke das Geben bietet. Es ist der richtige Zeitpunkt, zu dem Glettler und Lehofer ihre Gespräche zugänglich machen. Sich zu entängstigen und das Handwerk des Tröstens zu lernen, ist eine zentrale Fähigkeit in der Pandemie, egal in welcher Lebenssituation, egal in welcher Rolle. Einfach als Mensch.

Reise in die Innenwelt

Angst, Scham, Ärger: Schuldgefühle sind unangenehm und gelten als schlicht "falsch" und hinderlich. Schon gar im Business. Dass es ganz so einfach wisch und weg nicht ist und wozu wir unsere Schuldgefühle nützen können, stellt die Psychotherapeutin Helga Kernstock-Redl vor. Ihr Anliegen ist die Auseinandersetzung mit den eigenen Schuldgefühlen zwecks Verbesserung der Befindlichkeit, des Lebens.

Angeleitet wird eine Reise in die Innenwelt, eine durchaus lohnende Selbstbeforschung für allerlei Lebenssituationen – nicht nur für berufstätige Mütter, die zwischen Familie und Job ihr schlechtes Gewissen in den Griff kriegen wollen. Es geht um mehr, es geht viel tiefer, und es hilft zu verstehen, warum Menschen oft tun, was sie tun, ohne es wirklich zu wollen. Erstaunlich, dass die Beschäftigung mit Schuldgefühlen eine Menge Informationen zur Konfliktbewältigung bringt. Zur Selbstbefreiung sowieso – wer fühlt sich schon ehrlich wohl in einer Spirale der Selbstvorwürde und Schuldgefühle? Schnell abschaffen hilft nun mal nicht, verdrängen klappt nicht, also: sich selbst und damit anderen auf die Spur kommen – ein sinnvolles Lebenswissen. (Karin Bauer, 10.11.2020)