Der von der deutschen Pharmafirma Biontech erfundene und mit Pfizer entwickelte Impfstoff hat allem Anschein nach die entscheidende Hürde genommen.

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Während die Corona-Zahlen global neue Rekordwerte erreichen und die Situation auch in vielen österreichischen Spitälern immer ernster wird, kommt nun endlich eine lange erhoffte Erfolgsmeldung von der Impfstofffront im Kampf gegen Covid-19: Das von den Firmen Biontech und Pfizer entwickelte Vakzin, dessen Ergebnisse in den letzten Tagen mit Hochspannung erwartet worden sind, weist laut ersten offiziellen Informationen eine hohe Wirksamkeit auf. Der endgültigen Zulassung steht also nur mehr sehr wenig im Weg.

Während der laufenden internationalen Phase-III-Studie mit 44.000 Probanden, von denen die Hälfte den RNA-Impfstoff erhielt und die Hälfte ein Placebo, kam es bis jetzt zu 94 Ansteckungen, die fast ausschließlich in die Placebo-Gruppe fielen. Laut der Pressemitteilung sind die Ergebnisse extrem positiv: "Die Fallaufteilung zeigt eine Impfstoff-Wirksamkeitsrate von über 90 Prozent sieben Tage nach der zweiten Dosis." Demnach wurde dieser Impfschutz bereits 28 Tage nach Beginn der Impfung, die aus einem Zwei-Dosis-Schema besteht, aufgebaut. Von den 94 Ansteckungen waren vermutlich weniger als neun aus der Impfstoffgruppe. Genaue Zahlen wurden aber nicht genannt.

Vorläufige Effektivitätsdaten

Bei dieser ersten Zwischenanalyse handelt es sich um vorläufige Effektivitätsdaten, die Impfeffektivität kann sich nach längerer Beobachtungszeit der Probanden also noch ändern. Das Data Monitoring Commitee der beiden Firmen habe zudem "keine ernsthaften Sicherheitsbedenken" gemeldet und empfehle, dass die Studie wie geplant mit der Erhebung zusätzlicher Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten fortgeführt wird.

In der Zwischenzeit sollen die Daten mit weiteren Zulassungsbehörden weltweit diskutiert werden, darunter die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA und die europäische EMA, wo bereits ein "Rolling Review" des Impfstoffs läuft. Eine wissenschaftliche Publikation ist offenbar in Vorbereitung.

Das Biontech-Präparat ist ein sogenannter mRNA-Impfstoff. Das Vakzin enthält genetische Informationen des Erregers. Ziel der Impfung ist es, mit dieser Information den Körper zur Bildung von spezifischen Antikörpern anzuregen, um die Viren abzufangen, bevor sie in die Zellen eindringen und sich vermehren. Biontech und Pfizer rechnen damit, noch in diesem Jahr weltweit bis zu 50 Millionen Impfstoff-Dosen bereitstellen zu können, im kommenden Jahr kalkulieren sie mit bis zu 1,3 Milliarden Dosen.

Euphorische Expertenreaktionen

Unabhängige Experten, die zu diesen Ergebnissen befragt wurden, zeigen sich von diesen euphorisch – so wie der in den USA arbeitende österreichische Virologe Florian Krammer (Icahn School of Medicine at Mount Sinai): "Das sind fantastische Resultate. Die Wirksamkeit könnte höher sein als vermutet, und das bedeutet vermutlich auch, dass es – zumindest in den USA – sehr bald zu einem Antrag zur Zulassung kommen wird."

Krammer räumt zwar ein, dass es noch besser wäre, altersspezifische Daten zu sehen, vermutet aber, dass diese bald publiziert werden. "Ehrlich gesagt ist das die beste Nachricht, die ich seit dem 10. Jänner erhalten habe." Auf Twitter begründete Krammer seinen Enthusiasmus mit mehreren Erläuterungen.

Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Uniklinik Köln, hält die Daten für großartig und vielversprechend. "Es ist unglaublich, dass in so kurzer Zeit dieser Fortschritt mit Entwicklung eines Impfstoffes und klinischer Prüfung innerhalb weniger Monate erzielt werden konnte. Die bisherigen Ergebnisse zu Wirksamkeit und Sicherheit sind hervorragend."

"Gratulation an die Forscher"

Fätkenheuer geht davon aus, dass dieses Ergebnis "unseren Umgang mit der Pandemie entscheidend beeinflussen werde – und hofft, dass rasch große Mengen des Impfstoffes zur Verfügung stehen werden. "Den beteiligten Forschern kann man nur gratulieren." (Lesen Sie hier ein Porträt des deutsch-türkischen Forscherpaars hinter dem Impfstoff und der Firma Biontech.)

Sehr sehenswertes Interview mit Biontech-Gründer Uğur Şahin zum Impfstoff, seinen Eigenschaften, seiner Überprüfung und seiner möglichen Zulassung.
Echo Online

Etwas zurückhaltender ist Marylyn Addo vom Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg. Sie gibt zu bedenken, dass die Daten nur in Form einer Pressemitteilung vorliegen. "Es stehen noch keine Primärdaten zur Verfügung, und eine Peer-Review-Publikation steht noch aus." Vor allem sei noch unklar, in welchen Altersgruppen die 94 Fälle genau aufgetreten sind.

Die Ergebnisse werden laut Biontech und Pfizer erst dann abschließend ausgewertet, wenn insgesamt 164 Fälle erreicht sind. Zudem werde geprüft, in welchem Maß die Impfung nicht nur vor Covid-19 schützt, sondern auch vor schweren Verläufen der Krankheit. Insgesamt sollen sowohl die Schutzwirkung als auch etwaige Nebenwirkungen über einen Zeitraum von zwei Jahren beobachtet werden.

Kurssprünge an den Börsen

Der voraussichtliche Erfolg in der Entwicklung des Corona-Impfstoffs hat nicht nur den Aktienkursen von Biontech und Pfizer, sondern insgesamt den Börsen Europas am Montag kräftig Auftrieb gegeben. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 gewann über fünf Prozent (Stand 14 Uhr). Der DAX eroberte erstmals wieder seit Mitte Oktober die 13.000-Punkte-Marke zurück. Bis 14 Uhr legte er auf über 13.170 Punkte zu und auch in Wien, Paris, London sowie Mailand und Madrid ging es weiter steil nach oben. Der ATX war kurz nach 14 Uhr um 6,8 Prozent im Plus. (Klaus Taschwer, 9.11.2020)