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Das Weiße Haus in der Morgendämmerung: Noch ist Donald Trump hier der Hausherr, ab Jänner soll Joe Biden einziehen. Derzeit versucht aber noch der eine, das zu verhindern, und der andere, sich darauf vorzubereiten.

Foto: Reuters / Erin Scott

Kaum wurde Joe Biden von den Kabelsendern zum Sieger ausgerufen, dreht sich auch schon das Karussell der Personalspekulationen. Wie könnte ein Kabinett Biden aussehen? Wer muss für seinen besonderen Einsatz im Wahlkampf belohnt werden?

Klar ist, dass der President-elect einen Spagat zu meistern hat. Selber in der politischen Mitte verankert, muss er den linken Flügel der Demokraten einbinden. Einen Flügel, der ihn – anders als 2016 Hillary Clinton – beim Kräftemessen mit Donald Trump ohne Abstriche unterstützte und nun den Lohn dafür kassieren möchte. Andererseits hoffen gemäßigte Republikaner auf ein personelles Signal. Den versöhnlichen Tönen, die Biden nach seinem Sieg anschlug, soll nach ihrer Erwartung Konkretes folgen: die Besetzung zumindest eines wichtigen Ressorts durch einen Konservativen der moderaten Denkschule. Ein Überblick:

  • Außenministerium

Als aussichtsreiche Anwärterin gilt Susan Rice, unter Obama erst UN-Botschafterin, dann Nationale Sicherheitsberaterin. Sie genießt das Vertrauen des früheren Vizepräsidenten Biden, nachdem er jahrelang eng mit ihr zusammengearbeitet hat. Genau wie er betont sie den Wert internationaler Allianzen. Da die Personalie vom Senat bestätigt werden muss, hängt vieles davon ab, ob die Republikaner ihre Mehrheit in der kleineren Parlamentskammer behaupten. Das entscheidet sich im Jänner bei zwei Stichwahlen im Bundesstaat Georgia.

Bliebe es bei der konservativen Majorität, müsste Rice ihre Hoffnungen womöglich begraben. Etliche Republikaner nehmen sie bis heute ins Visier, weil sie einen Angriff auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi, bei dem 2012 der amerikanische Botschafter ums Leben kam, zunächst als Folge spontanen Volkszorns charakterisiert hatte, provoziert durch ein Schmähvideo über den Propheten Mohammed. Tatsächlich handelte es sich um den gründlich geplanten Anschlag einer Terrorzelle.

Häufig fällt auch der Name Antony Blinken, wenn es um den Chefposten im State Department geht. Blinken beriet schon den Vizepräsidenten Biden in Fragen der nationalen Sicherheit, bevor er ins Weiße Haus wechselte und 2015 Vizeaußenminister wurde. Im Wahlkampf war er dessen außenpolitischer Chefberater. Auch für den Posten des Nationalen Sicherheitsberaters ist er im Gespräch.

  • Pentagon

Glaubt man der Gerüchteküche, läuft alles auf Michèle Flournoy zu. Sie könnte die erste Verteidigungsministerin in der Geschichte des Landes werden. Unter Obama war sie bereits Staatssekretärin im Pentagon. Als vor sechs Jahren der damalige Minister Chuck Hagel, ein Republikaner der politischen Mitte, seinen Hut nahm, wurde Flournoy bereits als mögliche Nachfolgerin gehandelt. Sie sagte ab, mit der Begründung, sich ganz auf die Arbeit in dem von ihr ins Leben gerufenen Thinktank, dem Center for a New American Security, konzentrieren zu wollen.

  • Finanzministerium

Als Favoritin gilt Lael Brainard, eine Ökonomin mit Harvard-Abschluss. Seit 2014 gehört sie dem Gouverneursrat der amerikanischen Notenbank an. Davor war sie Staatssekretärin im Finanzressort, zuständig für Internationales. In der Zeit vertrat Brainard die USA bei Expertenrunden der G20 und der G7.

Ambitionen auf das Amt lässt auch Elizabeth Warren erkennen, neben Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez die Galionsfigur der Linken. Als Akademikerin auf Insolvenzrecht spezialisiert, warnte sie schon vor der Finanzkrise vor riskanten Subprime-Hypotheken, die Millionen von Hauskäufern tatsächlich bald in den Ruin trieben. Danach führte sie im Auftrag Obamas Regie bei der Schaffung einer neuen Verbraucherschutzbehörde. Warrens Kompetenz ist unbestritten, die Geschäftswelt dürfte sich allerdings energisch gegen die Berufung einer Politikerin wehren, die unter anderem eine Vermögenssteuer einführen will.

  • Stabschef des Weißen Hauses

Für die Rolle des Cheforganisators bietet sich Ron Klain an, ein Jurist, der bereits Stabschef des Vizepräsidenten Biden war. Als 2014 das Ebola-Fieber kurzzeitig für akute Verunsicherung sorgte, wurde er zum Ebola-Zaren ernannt, zum Sonderbeauftragten im Kampf gegen die Seuche. Auf Empfehlung Klains schuf man im Weißen Haus eine Abteilung, die sich ausschließlich dem Thema Pandemien widmete. Trump ließ sie später auflösen.

  • Weitere Jobs

Pete Buttigieg, der bei den Vorwahlen der Demokraten für einen Paukenschlag sorgte, indem er zum Auftakt in Iowa gewann, ist als Botschafter bei den Vereinten Nationen im Gespräch. Für den Ex-Bürgermeister der mittelwestlichen Industriestadt South Bend wäre es ein Sprungbrett: UN-Botschafter gehören dem Kabinett an, einige – siehe Madeleine Albright oder Susan Rice – übernahmen nach ein paar Jahren am New Yorker East River Schlüsselposten in der Regierung. Als Kandidaten für das Justizressort werden Xavier Becerra, der Generalstaatsanwalt Kaliforniens, und der Senator Chris Coons gehandelt. Coons, der wie einst Biden den Ostküstenstaat Delaware im US-Senat vertritt, wird auch als möglicher Außenminister gesehen. (Frank Herrmann aus Washington, 9.11.2020)