Die Situation in Oberösterreichs Intensivstationen ist prekär. Weil 98 Prozent der bisher für Covid-Fälle reservierten Intensivbetten schon belegt sind, muss umgeschichtet werden.

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Oberösterreich bleibt trauriger Spitzenreiter: Mit 1.489 Neuinfektionen in 24 Stunden auf Montag weist das Bundesland mit Respektabstand vor Niederösterreich (891) oder Wien (711) erneut die bei weitem höchsten Fallzahlen auf. Besonders deutlich wird die Dramatik mit einem Blick auf die Auslastung der Intensivbetten in den ober österreichischen Spitälern. Mit Stand Montagmittag waren 98 Prozent aller für Covid-19-Patienten reservierten Intensivbetten belegt. Konkret lagen 98 Erkrankte auf Intensivstationen, nur zwei Betten waren noch verfügbar. Steigen die Zahlen weiter, wovon aufgrund des Krankheitsverlaufs auszugehen ist, steuert Oberösterreich auf eine Notlage zu. In internen Arbeitssitzungen mit anderen Krisenstäben des Landes heißt es, dass Oberösterreich Mitte November vor der Situation einer Triage stehen könnte.

Offiziell will man dies freilich so nicht bestätigen. Gesundheitslandesrätin Christine Haberlander beurteilt die Situation zumindest aber als "ernst". Auf den enormen Anstieg an Covid-19-Infizierten in den vergangenen Wochen hätten Oberösterreichs Krankenhäuser reagiert und eine Anzahl von 100 Intensivbetten für Corona-Fälle vorgehalten. Haberlander: "Zudem werden geplante Eingriffe zurückgefahren. Akute und dringliche Eingriffe werden weiterhin durchgeführt. Da der Anstieg an Corona-Patienten, vor allem auch jenen, die eine Intensivbetreuung benötigen, nicht nachlässt, bauen die Spitäler weitere 50 normale Plätze zu Intensivplätzen um – von 250 auf 300. Davon wird die Hälfte, also 150 Intensivbetten, für Covid-19-Infizierte vor gehalten."

Und man entschied sich auf politischer Seite zu einer weiteren Maßnahme: Ab Dienstag tritt ein 14-tägiges Besuchsverbot für die Alten- und Pflegeheime in Kraft. Ausgenommen sind lediglich Besuche im Rahmen der Palliativ- und Hospizbewegung, der Seelsorge sowie zur Begleitung von kritischen Lebensereignissen.

Abschließende Partystimmung

Eine Änderung gibt es künftig aber auch bei der Teststrategie: Demnach werden zwar weiterhin alle Personen getestet, die sich mit Symptomen unter der Nummer 1450 melden und als Verdachtsfall gelten. Auch bei den Testungen in den sensiblen Bereichen ändert sich nichts. Haberlander: "Um eine Priorisierung zu erleichtern, wird aber das Testsystem der Kontaktpersonen der Kategorie 1 umgestellt." Da diese Personen unabhängig von einem positiven oder negativen Testergebnis in Quarantäne müssen, werden ab sofort maximal jene Kontaktpersonen mit Symptomen getestet. "Kontaktpersonen ohne Symptome werden nicht mehr getestet", erläutert Haberlander. Dies trage dazu bei, dass die Behörden sich auf die neuen Infektionsketten fokussieren können.

Oberösterreichs Ärztekammerpräsident Peter Niedermoser sieht die Ursache für die hohen Fallzahlen durchaus in der Lockerheit vor dem Lockdown. "Viele haben deutlich zu wenig auf die bekannten Grundregeln geachtet – Masken tragen, weniger Sozialkontakte und Abstand halten. Daher kommt es jetzt auf jeden Einzelnen an. Wir müssen uns jetzt am Riemen reißen."

Die Lage in Oberösterreichs Spitälern beurteilt Niedermoser im STANDARD-Gespräch als "angespannt". Entscheidend sei aber nicht so sehr die Zahl der Patienten, sondern die Anzahl des vorhandenen Personals. Niedermoser: "Und da wird im Moment an der Grenze der Leistungsfähigkeit gearbeitet."

Routineversorgung nicht möglich

Intensivmediziner in ganz Österreich üben sich derzeit in Arithmetik. Zirka fünf bis sechs Prozent aller Infizierten müssen hospitalisiert werden. Ein Prozent der Patienten braucht intensivmedizinische Betreuung. Es sind Patienten, die zusätzlich zu allen anderen Schwerkranken dazukommen. "Einen Anstieg an Patienten wie derzeit haben wir noch nie erlebt", sagt Bernd Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde und Vizestudiendekan der Medizinischen Fakultät der Johannes-Kepler-Universität (JKU) in Linz.

"Eine ungestörte Routine-Versorgung ist nicht mehr möglich, es ist die größte medizinische Herausforderung seit dem Krieg." Die Kapazitäten seiner Abteilung reichen längst nicht mehr aus. Deshalb wurden die Intensivbetten anderer medizinischer Fachrichtungen umgerüstet. Das heißt: Stationen, die bis dahin etwa gastroenterologische Erkrankungen behandelt haben, haben die Patientenaufnahme gestoppt. Planbare Eingriffe wurden verschoben. Diese Terminverschiebung der sogenannten elektiven Operationen hat nicht nur mehr Bettenkapazität geschaffen, sondern auch Pflegekräfte freigespielt.

Jens Meier, Leiter der Intensivmedizin der JKU, will aktuell noch nicht von einer Triagierung sprechen. "So weit sind wir noch nicht, wir haben auch noch die Möglichkeit, unsere Standards in der Behandlung runterzufahren", sagt er und meint, mehr Covid-Patienten mit weniger Personal in den Krankenhäusern zu betreuen."

Die Kernfrage in dieser Woche bleibt, wann die Zahlen sinken", sagt Herwig Ostermann von der Gesundheit Österreich, der seit Anfang der Pandemie die Situation auf den Intensivstationen im Auge hat. Es dauert zehn bis 14 Tage, bis man sehen kann, ob die Maßnahmen des Lockdowns reichen. Diese Arithmetik wird die Pandemie auch über den November hinaus bestimmen.

Burgenlands Spitäler bestätigen Ages-Zahlen nicht

Der Covid-Koordinationsstab des Landes Burgenland hat am Montag 188 Neuinfizierte gemeldet und vier Verstorbene. 86 Corona-Patienten lägen auf isolierten Spitalsstationen, 14 davon würden intensivmedizinisch betreut. Die Ages hat eine Auslastung der Intensivbetten von beinahe 80 Prozent festgestellt. In den Spitälern selbst wird diese Ages-Zahl nicht bestätigt. In den vier Spitälern der landeseigenen Krankenanstalten-Gesellschaft (Krages) wurden am Montag sieben Covid-Patienten auf Intensivstationen betreut. "Das ist eine Auslastung von knapp 30 Prozent", sagt Krages-Sprecher Leo Szemeliker. Im Spital der Barmherzgen Brüder, so Sprecherin Carla Schmirl, werden mit Stand Montag fünf Patienten intensivmedizinisch betreut. Szemeliker und Schmirl gleichermaßen: "Wir hoffen, dass wir nächste Woche den Peak erreichen." Denn sonst werde es knapp. (Markus Rohrhofer, Karin Pollack, David Krutzler, Wolfgang Weisgram, 9.11.2020)