Darstellung des Einflusses (farbige Linien) der Plasmide (kleine Kreissegmente) auf die Chromosomen verschiedener Chlamydien (große Kreissegmente).

Illustration: Stephan Köstlbacher

Chlamydien sind parasitäre Bakterien, die sich nur innerhalb von Wirtszellen vermehren können. Bei einer Vielzahl von Lebewesen, Menschen inklusive, können diese Erreger Krankheiten verursachen. In den Zellen ihrer Wirte sind sie weitgehend vom Austausch von Genmaterial mit anderen Mikroorganismen abgeschnitten. Kleine DNA-Moleküle, sogenannte Plasmide, versorgen diese Bakterien schon seit einer Milliarde Jahre mit neuem Erbgut, berichten Wiener Forscher im Fachjournal "Current Biology".

Plasmide kommen in Bakterien vor, gehören aber nicht zu ihrem Chromosom. Ähnlich wie Viren zielen diese kleinen DNA-Moleküle primär auf ihre eigene Vermehrung und Verbreitung ab und werden deshalb auch als "selfish genetic elements" (egoistische genetische Elemente) bezeichnet.

Folgenreicher Gen-Austausch

Ähnlich wie die Chromosomen, auf denen sich der Großteil der Gene befindet, werden Plasmide vor der Zellteilung vervielfältigt. Teilt sich ein Bakterium, gibt es typischerweise in jeder (Tochter-)Zelle ein Chromosom und mehrere Kopien des Plasmids. Die kleinen DNA-Moleküle sind jedoch "sehr viel mobiler als Chromosomen und können leicht an andere Bakterien weitergegeben werden", erklärt Matthias Horn vom Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien.

Innerhalb der Bakterienzellen kann es zum Austausch von Genen zwischen Plasmid und Chromosom kommen. So verändert sich das Plasmid, chromosomale Gene können wiederum bei der nächsten Übertragung des Plasmids an andere Bakterien weitergegeben werden. Das kann schwerwiegende Folgen haben, etwa wenn ein Plasmid ein Gen für eine Antibiotikaresistenz trägt und weitervermittelt. So können multiresistente Erreger entstehen.

Einflussreiches "Urplasmid"

Diese Wechselbeziehung zwischen Bakterien und Plasmiden haben sich Matthias Horn und Kollegen am Beispiel der Chlamydien genauer angesehen. Modellierungen der Evolution der Chlamydien, ihrer Chromosomen und Plasmide zeigten, dass ein "Urplasmid" schon im ersten gemeinsamen Vorfahren dieser Bakterien vorhanden war. Die Forscher konnten dieses "Urplasmid" rekonstruieren, das in dieser Form vor etwa einer Milliarde Jahren existiert haben könnte.

Alle heutigen Plasmide der Chlamydien stammen von diesem "Urplasmid" ab, das irgendwann im Laufe der Evolution auch das Erbgut eines Bakteriophagen (auf Bakterien spezialisierte Viren) aufgenommen hat. Die Plasmide veränderten sich gemeinsam mit den intrazellulären Bakterien über diesen langen Zeitraum und trugen so dazu bei, dass Chlamydien neues Erbgut aufnehmen und miteinander teilen konnten. Damit waren die DNA-Moleküle ganz wesentlich an der Anpassung der Chlamydien an ihre unterschiedlichen Wirtszellen beteiligt und konnten die negativen Auswirkungen fehlenden Austauschs von Genmaterial, wie er bei höheren Organismen durch sexuelle Vermehrung erfolgt, mildern. (red, APA, 14.11.2020)