Seit 1989 gilt die Wildkatze in Österreich als ausgestorben. Nun könnte ihr Status auf "vom Aussterben bedroht" geändert werden.
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Eine kleine Sensation gab es kürzlich in der Artenschutz-Community, als es erstmals gelang, das Vorkommen mehrerer Wildkatzen in Österreich nachzuweisen. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet der Naturschutzbund Österreich daran, die scheuen Tiere bei uns zu entdecken beziehungsweise wieder heimisch zu machen, und heuer war es endlich so weit: Katzenkot und -haare aus der Wachau, die am Senckenberg-Institut in Deutschland genetisch untersucht wurden, stellten sich zweifelsfrei als zu Wildkatzen gehörig heraus.

Die Europäische Wildkatze, ihr lateinischer Name lautet Felis silvestris, bewohnt bevorzugt strukturreiche Laub- und Mischwälder mit Lichtungen, Waldwiesen und felsigen Arealen. Tagsüber schläft sie in hohlen Baumstämmen, Holzstößen, alten Fuchs- und Dachsbauten und dergleichen. Erst bei Sonnenuntergang begibt sie sich auf die Jagd – vor allem nach Mäusen; im Bedarfsfall frisst sie aber auch Eidechsen, Frösche, große Insekten und gelegentlich Vögel.

Verwechslungsgefahr

Da sie sehr scheu ist, hat man kaum Chancen, sie in freier Wildbahn lebend zu Gesicht zu bekommen, und in jedem Fall ist die Verwechslungsgefahr mit einer getigerten Hauskatze enorm. Wildkatzen unterscheiden sich von diesen nur durch einige, nicht immer eindeutig zu interpretierende Merkmale, wie ein gedrungeneres Aussehen und ein stumpfes, schwarzes Schwanzende.

Obwohl die große Ähnlichkeit es nahelegen würde, sind sie nicht die Vorfahren der Hauskatzen: Diese stammen von der in Afrika beheimateten Falbkatze ab. Die Europäische Wildkatze ist eine eigene Art und kommt nur in Europa vor.

Die zwei bis vier Jungen kommen im Frühling, vorwiegend im April, zur Welt und werden von der Mutter allein aufgezogen. Sie versteckt sie in hohlen Baumstämmen und ähnlichen Strukturen vor Fressfeinden wie Mardern oder Füchsen. Mit rund einem halben Jahr sind die Kätzchen selbstständig und verlassen das Revier der Mutter. Allerdings ist die Jungensterblichkeit sehr hoch: Mit Glück erreicht gerade einmal ein Junges von vier das Erwachsenenalter.

Die Europäische Wildkatze (im Bild) sieht der Hauskatze zwar zum Verwechseln ähnlich, doch ist sie nicht ihre Vorfahrin. Die Hauskatze stammt von der in Afrika beheimateten Falbkatze ab.
Foto: Imago / Blickwinkel

Fatale Unfälle

Eine besondere Gefahr – auch für adulte Tiere – stellt dabei der Straßenverkehr dar: Wildkatzen streifen weit umher und kreuzen dabei oft Straßen oder Autobahnen, häufig mit fatalem Ausgang.

Der Bestand der Wildkatze in Österreich ging ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch intensive menschliche Verfolgung dramatisch zurück. Seit 1989 gilt sie als "ausgestorben, ausgerottet oder verschollen", doch gab es immer wieder einzelne Sichtungen oder Totfunde. Der Nationalpark Thayatal konnte erstmals 2007 Wildkatzen auf seinem Gebiet nachweisen.

Seither wird Wildkatzenforschung betrieben. All das war aber nicht ausreichend, um auf ein echtes Vorkommen schließen zu lassen, zu dem auch die Fortpflanzung im fraglichen Gebiet gehört. Es hätte sich auch um Einzeltiere auf Stippvisite aus den Nachbarländern handeln können. Experten hielten es jedoch durchaus für möglich, dass es irgendwo noch kleine, unbemerkte Populationen gab.

Fotofallen in der Wachau

Der Naturschutzbund Österreich glaubte fest an das Potenzial der Wildkatze und beauftragte 2007/08 mit Unterstützung der Bundesforste eine Studie über mögliche Lebensräume der Art in Österreich. Wenig später wurde die "Plattform Wildkatze" gegründet, in der mehrere Organisationen mit Unterstützung des Landes Niederösterreich und der EU zusammenarbeiten, um die Wildkatze nachzuweisen und wieder zu etablieren.

Sie ist das beratende Gremium der Koordinations- und Meldestelle Wildkatze, die beim Naturschutzbund angesiedelt ist und seit 2009 alle Hinweise auf die Wildkatze sammelt: Aktuell liegen rund 660 Meldungen aus ganz Österreich vor, von denen 57 auch genetisch abgesichert sind.

Vor allem von der Gegend um Weißenkirchen in der Wachau versprechen sich die Experten der Plattform in letzter Zeit viel: "Auf den Fotofallenbildern innerhalb und außerhalb von Bundesforste-Flächen fanden sich immer wieder Tiere, von denen wir ziemlich sicher waren, dass es sich um Wildkatzen handelt", erzählt Plattform-Leiterin Ingrid Hagenstein.

In die Fotofalle getappt: eine Wildkatze in der Wachau.
Foto: Apa/Naturschutzbund/Peter Gerngross

Lockstöcke mit Baldrian

Bilder allein waren aber nicht genug zur Bestimmung – dazu ähneln Wild- und Hauskatzen einander zu sehr. Für eine zweifelsfreie Bestimmung braucht es Material für eine genetische Untersuchung, wie Kot oder Haare. Ersterer wurde heuer von einem speziell ausgebildeten Suchhund erschnüffelt, Letztere hinterließen die Katzen an sogenannten Lockstöcken, mit Baldrian getränkten, aufgerauten Holzpflöcken, an denen sie sich gerne reiben.

Zur Analyse wurde das Material ans deutsche Senckenberg-Institut geschickt, das seit Jahren die Wildkatzenspuren in Deutschland untersucht. Das Ergebnis löste große Freude aus: "Unsere Analysen von mehr als 50 Proben zeigen, dass mindestens fünf Individuen in der Wachau leben, davon vier Weibchen", sagt Carsten Nowak, Leiter des Fachgebiets Naturschutzgenetik am Senckenberg-Institut.

Unter den Tieren gibt es zwei Verwandtschaften ersten Grades – also ein Eltern-Kind- oder Geschwisterverhältnis, was ein Beweis für Reproduktion ist. Die Wachauer Wildkatzen ähneln genetisch stark den bayerischen und dürften wie diese aus der mitteldeutschen Population stammen, die sich laut Nowak seit Jahren nach Süden ausbreitet.

Mittels Lockstöcken konnten Haarproben gesammelt werden, durch die sich die Rückkehr von Wildkatzen in der Wachau nachweisen ließ.
Foto: Apa/Naturschutzbund/Peter Gerngross

Schutzprojekte

"Es war nur eine Frage der Zeit, wann sie nach Österreich kommen", meint Nowak. Und sie scheinen gekommen, um zu bleiben, denn: "Bei einer Ausbreitung kommen normalerweise zuerst die Männchen", wie der Genetiker ausführt, "wenn man einmal Weibchen hat, kommt es gewöhnlich auch zur Fortpflanzung."

Hagenstein nimmt an, dass sich die Wildkatzen schon länger in der Wachau aufhalten, denn bereits 2013 wurde dort ein totes Exemplar entdeckt. Neben der Wachau gibt es die meisten Nachweise aus Kärnten, und seit kurzem ist auch Vorarlberg diesbezüglich Hoffnungsgebiet.

Als Nächstes wäre es wichtig, die Ausbreitungswege der deutschen Wildkatzen nach Österreich nachzuvollziehen. Zuerst will sich die Plattform aber darum bemühen, den Status der Art auf der Roten Liste auf "vom Aussterben bedroht" zu ändern, denn, wie Hagenstein sagt: "Wenn es sie nachweislich wieder gibt, haben wir bessere Aussichten auf Projekte zu ihrem Schutz." (Susanne Strnadl, 15.11.2020)