Donald Trump hielt während seiner Amtszeit gerne seine Unterschrift in die Kameras – wie hier nach der Unterzeichnung der Space Policy Directive-4. Doch darf er sie auch unter seine eigene Begnadigung setzen?

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Im Bericht des Sonderermittlers Robert Mueller wird nahegelegt, dass Donald Trump während seiner vierjährigen Amtszeit möglicherweise Amtsmissbrauch begangen hat. Es stehen außerdem mögliche Steuervergehen und Missbrauch von Wahlkampfgeldern im Raum – gegen Ermittlungen in diesen Punkten ist Trump jedoch als Präsident immun. Solange er noch im Amt ist. Aber kann sich das Staatsoberhaupt vielleicht vorsorglich selbst begnadigen?

Um es vorwegzunehmen: Es ist sehr umstritten, aber nicht für den amtierenden Präsidenten – denn der denkt durchaus, dass er sich selbst begnadigen kann. In einem Tweet im Jahr 2018 hat er es deutlich gemacht. Doch die Meinungen der Fachleute gehen auseinander. Fest steht: Es hat noch nie ein Präsident versucht, sich für mögliche Verbrechen während seiner Amtszeit selbst die Absolution zu erteilen. Zuletzt wurde einem Präsidenten eine Begnadigung in Person von Richard Nixon zuteil. Doch die hat nicht er selbst unterschrieben, sondern sein Nachfolger im Amt, Gerald Ford.

Der Präsident ist der Ansicht, dass er das Recht auf eine Selbstbegnadigung hat.

Weitreichende Rechte

In mehreren US-Medien wird bereits spekuliert, ob und in welcher Form Donald Trump seine Selbstbegnadigung aussprechen könnte. Prinzipiell wurden dem US-Präsidenten nämlich von den Gründervätern der Vereinigten Staaten weitreichende Begnadigungsrechte zugestanden. Sie waren davon ausgegangen, dass das Staatsoberhaupt sie weise einsetzen würde. Im Artikel II der US-Verfassung heißt es: Der Präsident "soll die Macht haben, Strafaufschübe und Begnadigungen für Verbrechen gegen die Vereinigten Staaten zu gewähren, ausgenommen sind Amtsenthebungen".

Ein Urteil des Supreme Court aus dem Jahr 1915 legt aber nahe, dass eine Selbstbegnadigung einem Schuldeingeständnis gleichkommt. Das würde prinzipiell einem erneuten Amtsenthebungsverfahren gegen Trump helfen, denn damit würde er eingestehen, Verbrechen während seiner Amtszeit begangen zu haben. Aber fraglich ist, ob die Demokraten solch ein Verfahren noch einmal anstrengen würden, wenn er doch bereits abgewählt ist. Unwahrscheinlich.

Schon gehört?

Anklage fraglich

Also wäre eine mögliche Amtsenthebung nicht mehr abschreckend für Trump, und er könnte versuchen, sich selbst zu begnadigen. Es ist nämlich auch unklar, wer gegen solch einen Schritt des US-Präsidenten vor Gericht ziehen könnte. Der Fall würde außerdem ziemlich sicher vor dem Supreme Court landen – und dort haben die Konservativen eine Mehrheit von sechs zu drei.

Prinzipiell gehen die Experten davon aus, dass solch ein Verfahren wahrscheinlich lange umstritten sein würde. Um tatsächlich herauszufinden, ob der Präsident sich selbst begnadigen kann, müsste er es tun – und die Sache müsste ausjudiziert werden. Ein künftiger Präsident Joe Biden und dessen Justizminister oder Justizministerin müssten zudem überhaupt Anklage gegen Trump erheben. Und ob seine Verbrechen so schwerwiegend sind, dass Biden eine weitere Spaltung des Landes mit einer Anklage riskiert, ist mehr als fraglich.

Nicht für bundesstaatliche Vergehen

Einer der wichtigsten Grundsätze der angloamerikanischen Gesetzgebung ist laut Experten zudem, dass man nicht sein eigener Richter sein kann. Das würde dagegen sprechen, dass sich Trump selbst begnadigen kann.

Außerdem gilt eine Begnadigung durch den US-Präsidenten nur für Verbrechen auf Bundesebene. Anklagepunkte auf bundesstaatlicher Ebene wären davon nicht betroffen. Und auf dieser bereitet der Bezirksstaatsanwalt von Manhattan, Cyrus Vance, zum Beispiel gerade eine Anklage gegen Trump vor: wegen Betrugs- und Steuervergehen. (Bianca Blei, 11.11.2020)