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Pro
von Ana Grujic

Wären wir Freunde, hätten Sie zahllose Nachrichten, in denen ich schreibe, was ich von Ihnen geträumt habe. Mehrmals habe ich Menschen kontaktiert, von denen ich Jahre nicht gehört habe, nur weil sie in meinen Träumen waren. Einmal habe ich einen Exfreund nach langer Funkstille angerufen, weil ich im Schlaf gesehen habe, dass wir wieder zusammen sind.

Ich glaube nicht an Träume, wie es abergläubische Menschen tun. Ein geträumter Fisch bedeutet für mich nicht, dass ich bald reich werde. Eine Waffel warnt mich nicht vor drohenden Schicksalsschlägen.

Wenn aber Bekannte in meinen Träumen auftauchen, sehe ich das als Zeichen – nicht der Vorsehung, sondern meines Unterbewusstseins. Eine Art Memento, dass mein Herz an diesen Menschen hängt.

Diese Erinnerung gebe ich weiter, indem ich von meinen Träumen erzähle. Meine Freunde lachen oft darüber. Menschen, mit denen ich jahrelang nicht gesprochen habe, sind überrascht, oft sogar erfreut.

Mein Exfreund war bei meinem Anruf übrigens beides – und trotzdem kein Traummann.

Kontra
von Ljubiša Tošic

Die träumende Seele ist ein gnadenlos fantasievoller Regisseur unserer Wünsche und Ängste. Er lässt uns wieder und wieder bei der Matura durchfallen oder am eigenen Begräbnis teilnehmen.

Er lässt uns nächtens Symphonien schreiben, an die wir uns beim Morgenkaffee leider nicht mehr erinnern. Und wenn doch, entpuppt sich das Werk als Beethovens Neunte. Peinlich, niederschmetternd. Bist doch kein Musikgenie.

Das alles behältst du besser für dich; auch Weltliteratur mahnt zur Diskretion. Wie schrieb doch die schwärmerische Tatjana an ihr Objekt der Begierde, den Dandy Eugen Onegin, in Alexander Puschkins Versroman: "Du warst’s, der mich im Traume beglückte!!!" Und was hatte sie von diesem offenherzigen Eingeständnis einer geträumten wilden Nacht? Nur einen Korb.

Träume sind heikles Privateigentum. Im Licht der Öffentlichkeit stiften sie nur Unruhe. "Träume haben einen Sinn", heißt es bei Sigmund Freud. Ja.

Ihn ergründen zu wollen bedeutet jedoch nicht, sie herauszutrompeten. Es will doch niemand hören, dass wir uns beim eigenen Begräbnis unwohl gefühlt haben. (RONDO Exklusiv, 31.3.2021)