Vor allem die Einschränkung der sozialen Kontakte und das Meiden der Risikogruppen innerhalb der Familie oder des Freundeskreises hatten für viele starke Auswirkungen. Bei 76 Prozent der Befragten gehört jemand aus der Familie oder der Befragte selbst zur Risikogruppe.

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Die Kollateralschäden, die durch das Herunterfahren Österreichs und damit auch des Gesundheitssystems verursacht wurden, sind bei weitem noch nicht abschätzbar – zumindest da sind sich die meisten Experten einig. Einen Einblick in die uns bereits bekannten Auswirkungen sollen jetzt die Ergebnisse einer repräsentativen Online-Umfrage der GfK Austria unter 1000 Österreicherinnen und Österreichern im Auftrag der Wiener Städtischen Versicherung geben. Sie wurde Ende September und Anfang Oktober durchgeführt.

Das Ergebnis: Jeden Vierten belastet die derzeitige Lage psychisch stark. 50 Prozent der Genesenen verspüren auch lange nach der Erkrankung noch Anzeichen eines sogenannten Long-Covid, also länger anhaltenden körperlichen Beschwerden aufgrund der Erkrankung.

76 Prozent der Befragten zählen zur Risikogruppe oder haben jemandem in ihrem nahen Umfeld, um den sie sich Sorgen machen. Und 41 Prozent der Befragten mussten Vorsorgeuntersuchungen, Behandlungen oder OPs im Zuge des ersten Lockdowns verschieben.

Angst ist altersabhängig

Als "herausfordernde Zeit" beschreibt Doris Wendler, Vorstandsdirektorin der Wiener Städtischen Versicherung, die erste Lockdownphase vor dem Sommer – sowohl in psychischer als auch in physischer Hinsicht. Tatsächlich hat die Erholungsphase über den Sommer für viele eine Verbesserung herbeigeführt. Drei Viertel der Befragten geben an, sich derzeit (sehr) gesund zu fühlen – also zum Befragungszeitraum Ende September.

Jeder Zehnte hingegen befand sich in einem schlechten Zustand. "Der Wohlfühlfaktor verschiebt sich mit dem Alter", sagt Wendler. "Je älter, desto schlechter fühlen sich unsere Befragten." Geschlechterspezifische Unterschiede gibt es diesbezüglich keine.

Erhöhtes Stresslevel

Anders ist das jedoch bei der mentalen Gesundheit: 47 Prozent der Frauen fühlen sich durch die Corona-Situation insgesamt stärker belastet, bei den Männern sind es hingegen 38 Prozent. Für zwei von drei Personen hatte sich das Stresslevel nach dem ersten Lockdown zwar wieder normalisiert, jeder Zehnte steht aber auch weiterhin konstant unter Druck.

Vor allem die Einschränkung der sozialen Kontakte und das Meiden der Risikogruppen innerhalb der Familie oder des Freundeskreises hatten für viele starke Auswirkungen. Bei rund drei Viertel der Befragten (76 Prozent) gehört jemand aus der Familie oder der Befragte selbst zur Risikogruppe. Das wirkt sich bei der Hälfte (sehr) stark auf das Verhalten bezüglich Corona-Vorsichtsmaßnahmen aus. Bei der Generation 60 plus liegt der Wert wiederum höher, bei 76 Prozent.

Kollateralschäden

41 Prozent der Arzttermine mussten während des ersten Lockdowns abgesagt oder verschoben werden – vorwiegend handelte es sich dabei um Vorsorgeuntersuchungen (42 Prozent), Kontrolltermine einer bestehenden Erkrankung (37 Prozent) und längerfristig geplante, nicht kritische Behandlungen/Therapien (34 Prozent). 16 Prozent der verschobenen Termine waren sogar solche zur Behandlung oder Therapie einer akuten Erkrankung und somit dringend notwendig.

"Das ist ein sehr hoher Wert. Die Gesundheitsvorsorge und die Behandlung bestehender Erkrankungen dürfen auch während einer Ausnahmesituation, wie es der Lockdown im Frühjahr war und wie es auch der derzeitige ist, nicht auf der Strecke bleiben. Das darf sich keinesfalls wiederholen", zeigt sich Wendler ob der aktuell sehr ernsten Lage alarmiert. Jetzt gelte es, diese unbedingt nachzuholen, betont auch Wendler. "Wir sehen aus den Spitalszahlen, dass weniger Vorsorge und zu wenige Behandlungen durchgeführt wurden, diese sollten unbedingt nachgeholt werden." Wie das im Zuge des aktuellen Lockdowns funktionieren soll? Die Antwort auf diese Frage bleibt aber auch Wendler schuldig.

Mit 85 Prozent hat eine große Mehrheit der Befragten an keiner akuten oder chronischen Krankheit während des ersten Lockdowns gelitten. Etwas weniger als ein Drittel hat in dieser Zeit keine medizinische Versorgung in Anspruch genommen.

Digitaler Boost

In Sachen E-Health hat die Corona-Pandemie allerdings einen durchaus positiven Effekt ausgelöst. Nicht nur, weil digitale Krankschreibungen plötzlich möglich wurden und Rezepte von Ärzten auch direkt in die Apotheken übersendet werden konnten, sondern auch weil digitale Beratungsangebote plötzlich verstärkt wahrgenommen wurden. "Sowohl die digitalen Geburtsvorbereitungskurse, als auch das bestehende Service der Zweimeinungen kam bei Befragten sehr gut an", sagt Wendler weshalb das Versicherungsunternehmen Pläne hat, den digitalen Bereich weiterhin zu forcieren. "E-Health ist auch bei uns in Österreich endgültig angekommen und hat gezeigt, dass ein niederschwelliger Zugang zu Gesundheits- und Vorsorgeleistungen notwendig ist."

Impfbereitschaft

Auch zum Thema Impfen gab es einen einhelligen Tenor bei den Befragten – zumindest wenn es um die Impfbereitschaft gegen Covid-19 geht. 54 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher wären bereit sich impfen zu lassen, 37 Prozent der Impfbereiten sogar innerhalb des ersten Monats. Wendler: "Nur jeder Fünfte würde das nicht tun, sondern erstmal abwarten." Ein erstaunlicher Umstand, bedenkt man, dass Österreich sich im EU-Schnitt bisher bei einer Impfbereitschaft, etwa gegen die Influenza, von lediglich acht Prozent befunden hat. Diese jähe Erhöhung liegt daran, dass "die Österreicherinnen und Österreicher sich derzeit große Sorgen um ihre Gesundheit machen sowohl um die eigene, als auch um die des nahen Umfelds", erklärt Ursula Swoboda von GfK Austria .

Fit und gesund durch Homeoffice?

Auch die GfK bestätigt bereits veröffentlichte Untersuchungen zum Thema Sport und Ernährung im Zuge der Pandemie. 29 Prozent geben an, seit Beginn der Corona-Krise mehr auf ihre Gesundheit zu achten. Bei jedem Fünften hat sich der erste Lockdown in sportlicher Hinsicht ausgewirkt. Elf Prozent haben das danach auch fortgesetzt. 46 Prozent haben gleich viel Sport getrieben wie immer. 38 Prozent hingegen haben während des ersten Lockdowns weniger oder gar keinen Sport gemacht, zum Zeitpunkt der Umfrage haben immer noch 29 Prozent der Befragten angegeben, sich weniger zu bewegen als vor dem ersten Lockdown.

Und obwohl das Mehr-zu-Hause-Sein für viele zu einer Renaissance des Kochens geführt hat, haben sich nur knapp 20 Prozent mit ihrer Ernährung wirklich beschäftigt, also mehr gesund gekocht oder gebacken. Die Mehrheit (73 Prozent) hat ihr Ernährungsverhalten während des ersten Lockdowns nicht geändert und hat weder zu- noch abgenommen. Zwei von drei Befragten haben in dieser Phase aber zugelegt. (Julia Palmai, 13.11.2020)