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Nun gilt es, die Vorzüge unserer Federkernmatratzen möglichst schon zu frühabendlicher Stunde zu erkunden: Carl Spitzwegs "Der arme Poet" (1839) hielt es nicht anders.

Foto: A. Koch/Interfoto/picturedesk.com

Es ist in nebelgrauen Tagen wie den jetzigen hoch an der Zeit, eine Lanze für die Ereignislosigkeit zu brechen: aus tiefstem Herzen froh zu sein über das reine, unverfälschte Nichts. So spendet uns der zweite Lockdown nach den furchtbaren Ereignissen der vergangenen Woche Labsal.

Die allerletzte, verrostete Garagentür? Unterdrückt ihr hydraulisches Gähnen. Die nächtliche Ausgangsbeschränkung legt uns nahe, die Annehmlichkeiten unserer Federkernmatratzen schon frühabends zu erkunden. Wen das zu verschwitzt dünkt, wer womöglich nicht gesonnen ist, dem Kreise seiner braven Esser unverhofft einen weiteren hinzuzufügen, der wird entweder im Schutz der Nacht, seinen Füßen zuliebe, den Häuserblock umrunden. Oder aber er kündigt umständlich an, "Zigaretten holen" zu gehen – und kehrt prompt mit einer Schachtel sortenreiner Glimmstängel wieder. Man sieht: Ein Lockdown kann auch für langjährige Ehepartner bittere Enttäuschungen bereithalten.

Widerwille gegen Finsternis

Für mich als kindlichen Babyboomer, den ein unausrottbarer Widerwille gegen die nächtliche Finsternis plagte, trat jeden Abend Schlag acht ein ganz normaler Lockdown in Kraft. Ich musste nach Erledigung einer kursorischen Zahnwäsche – die Bürsten entsprachen damals mehr dem Typus Oral-ach-was als dem heute gebräuchlichen von Oral-B – ins Bett verschwinden. Dieser beschwerliche Weg schien mir jeden Abend aufs Neue ein Gang ins Exil. Ich glich, auch weil ich kugelrund war, Napoleon Bonaparte, und mein Ausziehbett war mein ungeliebtes Eiland Sankt Helena.

Den eigentlichen Lockdown in dieser eminent reformwilligen Kreisky-Ära erlebte indes, mehr für sich und im Stillen, meine arme Mutter. Mein Vater, verliebt in das Technicolor-Angebot unseres Fernsehapparats, verweigerte hartnäckig jeden Streifzug durch Wiens (damals stark überschaubares) Nachtleben. Irgendwann erlahmte ihr Bedürfnis, meinen Erzeuger auf irgendeine sehenswerte Theater- oder Kinopremiere hinzuweisen. Sie glitt resigniert neben ihn aufs Sofa, und gemeinsam verfielen sie, laut röchelnd, in einen unruhigen Wohlstandsschlummer. Ich lag derweil nebenan wach. Ich wusste schon damals, ganz ohne Jean-Paul Sartre: Der Lockdown, das sind die anderen! (Ronald Pohl, 11.11.2020)