Die Kondensatortechnologie, an der Marco Deluca arbeitet, soll eine neue Generation von Sensoren ermöglichen, die ohne externe Stromzufuhr oder Batteriewechsel auskommt.

Foto: MCL / Alexander Kreutz

Die digitalisierte Welt eines "Internets der Dinge" ist auch eine Welt vieler kleiner Sensoren. Die Datensammler werden überall dort eingesetzt, wo es menschliche Infrastrukturen gibt. Sie erheben Informationen zum Gebäudeklima, um es gezielt steuern zu können, legen ein dichtes Messnetz über Industrieanlagen, um Funktion und Output optimieren zu können, oder überwachen die Verkehrsströme einer Stadt, um rechtzeitig Lenkungsmaßnahmen einleiten zu können.

Ein großer Vorteil ist es, wenn Sensoren autark funktionieren, also wenn keine Verkabelung zur Stromzuführung, kein Batteriewechseln notwendig ist. Gerade für physisch schwer erreichbare Datenpunkte in Maschinenhallen und im Umweltmonitoring oder wenn das Messnetz auch bei Energieausfällen funktionieren soll, kann das ein wichtiger Aspekt sein.

Möglichkeiten, Energie lokal zu sammeln, gibt es viele. Nicht nur Solarkollektoren, auch thermoelektrische Elemente, die eine Temperaturdifferenz nutzen, oder piezoelektrische Module, die Energie aus Vibrationen umsetzen, sind beispielsweise möglich.

Da die Energiequellen meist aber nicht durchgängig zur Verfügung stehen – in der Nacht lässt sich durch Photovoltaik eben kein Strom gewinnen –, die Sensoren aber kontinuierlich messen sollen, ist eine Speichertechnologie erforderlich. Hier würde man vielleicht zuerst an Akku-Technik denken, wie sie in Handys, Drohnen oder E-Autos eingesetzt wird. Doch diese chemischen Speicher haben in diesem Bereich nicht nur Vorteile.

Physischer Speicher

Marco Deluca, der sich am Materials Center Leoben (MCL) mit Sensorlösungen beschäftigt, arbeitet an einer Alternative, die sich für diesen Anwendungsfall als effizienter erweisen soll. Die Rede ist von Kondensatoren, die Energie nicht elektrochemisch, sondern physikalisch speichern. Die Bauteile sind in der einen oder anderen Form heute in fast jedem Elektrogerät vorhanden. Eine prototypische Anwendung liegt etwa im Blitzlicht einer Kamera, wo schnell eine vergleichsweise hohe Leistung verfügbar sein muss.

In einem Sensor sehen die Anforderungen allerdings anders aus. "Wir wollen einen Kondensator entwickeln, der nicht nur sehr schnell aufgeladen werden kann, sondern auch vergleichsweise viel Energie speichern kann", skizziert Deluca. Den Rahmen seiner Forschungen gibt das Projekt Citres, bei dem die Montanuniversität Leoben und die TU Graz Partner des MCL sind.

2019 erhielt der aus Triest stammende Wissenschafter, der unter anderem auf eine fünfjährige Forschungstätigkeit am renommierten Kyoto Institute of Technology in Japan zurückblickt, für seine Arbeit in diesem Bereich einen Consolidator Grant des European Research Council (ERC), der mit zwei Millionen Euro dotiert ist.

Um die Vor- und Nachteile von Akkus und Kondensatoren für die Sensoranwendung abzuwägen, hebt Deluca das Begriffspaar Energiedichte und Leistungsdichte hervor. Während die Energiedichte, die die gespeicherte Energiemenge eines Volumens angibt, in den Akkus sehr hoch ist, können sie Leistung aber nur vergleichsweise langsam abgeben und aufnehmen.

Laden in Millisekunden

Bei den Kondensatoren mit ihrer hohen Leistungsdichte, aber geringen Energiedichte ist es umgekehrt. "Ein Kondensator speichert Energie sehr schnell – er kann binnen Millisekunden beladen werden", streicht Deluca die Eigenschaft hervor, die er sich für die Sensoren zunutze machen will. "Für die Anwendung in Sensoren ist diese effiziente Beladung besonders wichtig."

Ziel der Arbeit Delucas und seines Teams ist es, nun auch die Energiedichte der Kondensatoren entsprechend zu erhöhen, sodass sie mit jener von Akkus vergleichbar wird. Grundsätzlich besteht ein Kondensator aus zwei Elektroden, die durch ein sogenanntes Dielektrikum, das isolierend wirkt, voneinander getrennt sind.

Die Energie wird dabei in einem elektrischen Feld, das zwischen den Elektroden entsteht, gespeichert. Ein wichtiger Einflussgeber für die Speichereigenschaften der Elektrode ist das Material des Dielektrikums. Üblich sind etwa keramische Materialien oder auch Kunststofffolien.

Bleifreie Kondensatoren

Verbreitete Anwendung in Keramikkondensatoren findet etwa Bariumtitanat. Das Material, das schon in den 1940er-Jahren in der Sonartechnik auf U-Booten zu finden war, ist in der Industrie bereits gut etabliert. Ein großer Vorteil ist, dass es bleifreie Kondensatoren ermöglicht, was künftig Standard sein soll. Auch Deluca und Team nutzen Bariumtitanat, für sie ist es aber nur Ausgangspunkt der Forschungen.

Das Ziel ist, bestimmte piezoelektrische Effekte im Material zu reduzieren, erklärt Deluca. Diese Effekte verwandeln elektrische in "elastische" Energie, die das Atomgitter mechanisch verändert. Ein Teil der gespeicherten Energie geht dadurch verloren. Das piezoelektrische Material weist über den gesamten Bauteil hinweg Bereiche mit einer gewissen elektrischen Polarisation auf – diese Bereiche gilt es zu verkleinern, um Verluste zu reduzieren und die Speicherfähigkeit zu verbessern.

Atome "austauschen"

Erreicht wird diese Veränderung der Polarisationsstruktur, indem einzelne Atome in den Atomgittern gezielt "ausgetauscht" werden. Dazu wird eine Bariumtitanat-Lösung in einem gewünschten Mischverhältnis auf einem Substrat aufgetragen und im Zuge eines sogenannten Spin-Coatings in einer schnellen Drehbewegung gleichmäßig verteilt, bevor es zum keramischen Bauteil gebrannt wird.

Wichtige Werkzeuge für diesen Optimierungsprozess sind die sogenannte Raman-Spektroskopie, um die jeweiligen Materialstrukturen und -eigenschaften untersuchen zu können, sowie atomistische Modellierungen, die etwa das elektrische Verhalten des Materials simulieren.

Neben dem aktuell laufenden Projekt soll die Technologie im Rahmen des EU-Projekts Foxes in einen Sensor-Demonstrator einfließen, der alle Technologiebereiche von Energiegewinnung und -speicherung über das Sensorelement selbst bis hin zur Kommunikationseinheit zur Übertragung der Daten vereint. Bis diese neue Technologiegeneration präsentiert werden kann, wird es allerdings noch eine Zeit dauern. Das Ziel ist, einen Prototyp in vier Jahren präsentieren zu können. (Alois Pumhösel, 13.11.2020)