Die Kompositgefäße sind typisch zypriotische Alltagsgegenstände. Sie dienen ausschließlich der Dekoration und werden noch heute gefertigt.

Foto: Volkskundemuseum Wien / Christa Knott
Land der dürren Wiese,
Land der betrübten Muttergottes,
Land des Südwindes, des ungerechten Todes,
der Launen der Vulkane,
goldgrünes Blatt,
geworfen aufs Meer.

Der düstere Liedtext stammt aus dem Jahr 1962, als das ganz große Elend noch gar nicht über die blattförmige Insel im östlichen Mittelmeer hereingebrochen war. Dieses ereilte den kleinen, abgelegenen EU-Staat Zypern erst zwölf Jahre später mit seiner Teilung in einen türkischen Norden und einen griechischen Süden. Im Schreckensjahr 1974 wurden viele Zyprioten zu Flüchtlingen.

Wie nachhaltig dieser Schnitt durch das Land auch die Psyche seiner Bewohner verletzte, spiegelt sich selbst in Alltagsgegenständen der folgenden Jahre. So bestickte man Polsterüberzüge mit den Umrissen der Insel, wobei nur der türkisch besetzte Norden farbig gehalten war. Darunter stand in griechischer Sprache: "Ich vergesse nicht."

Digitalisierte Sammlung

Eines dieser politisch aufgeladenen Wäschestücke wurde Ende der 1980er von der Ethnologin und Fotohistorikerin Margit Krpata erworben und in ihre ethnografische Zypern-Sammlung aufgenommen. Über 500 Objekte umfasst diese Sammlung im Volkskundemuseum Wien, die nun von Elisabeth Egger digitalisiert und online zugänglich gemacht wurde.

Gemeinsam mit der Sammlung Ohnefalsch-Richter, die Gegenstände aus dem 19. Jahrhundert enthält, geben diese Objekte Einblicke in den Alltag der Zyprioten. Die Zahl der digitalisierten Sammlungsbestände des Volkskundemuseums wächst damit weiter, zuletzt wurden im bilateralen Projekt "Treasures" Sammlungsgegenstände online zugänglich gemacht, gefördert durch die EU im Programm Interreg V-A Slowakei-Österreich.

Die von Margit Krpata zusammengetragenen Gegenstände stellen nicht nur für Festlandeuropa, sondern auch für Zypern selbst eine Besonderheit dar, da man den Schwerpunkt bislang vor allem auf "traditionelle" Ethnografika gelegt hat.

Die zwischen 1988 und 1993 gesammelten Objekte bilden dagegen auch funktionale Entwicklungen ab, wie etwa den Ersatz traditioneller Materialien durch Kunststoffe sowie die Einflüsse von Migration, Tourismus oder Globalisierung auf die Welt der Dinge.

Insel mit blutender Wunde

So ist etwa auch der politisch brisante Polsterüberzug keine Handarbeit, sondern wurde mithilfe einer modernen Stickmaschine im griechischen Teil der Insel hergestellt. Dennoch erzählt er über die Befindlichkeit eines Teils der Zyprioten zu einer bestimmten Zeit mehr als manch traditionelles Sammlerstück. Ebenso die drei Aufkleber, die in diese Sammlung aufgenommen wurden. Sie zeigen Zypern als zerschnittene Insel mit blutender Wunde oder ein Kind hinter Stacheldraht.

Wie sich die Ereignisse von 1974 in den Alltagsobjekten der türkischen Zyprioten niedergeschlagen haben, ist in der Sammlung nicht zu sehen. "Die Teilung der Insel war im Sammelzeitraum noch hermetisch", erklärt die Ethnologin. "Damals konnte man nur mit guten Beziehungen in den türkisch besetzten Norden kommen."

Das hat sich mittlerweile geändert, doch entspannt ist die Lage auch heute nicht. Die kürzlich abgehaltenen Präsidentschaftswahlen in der international nicht anerkannten Republik Nordzypern hat der von Erdoğan unterstützte Kandidat gewonnen – ein umstrittener Hardliner, der sich vehement gegen eine Wiedervereinigung von Nord- und Südzypern stellt.

Auch vor seiner Teilung war Zypern nicht unbedingt eine Insel der Glückseligen. Schon vor über 1000 Jahren kämpften byzantinische Christen und Moslems um die Vorherrschaft. Zwar wurde 1960 die Republik ausgerufen, deren Verfassung entstand aber mit geringer zypriotischer Beteiligung.

Die an der Insel interessierten Länder Griechenland, Türkei und Großbritannien räumten sich Interventionsrechte ein, zudem wurden ethnische Gegensätze verstärkt, die schließlich zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Bevölkerungsgruppen führten.

Fremde Begehrlichkeiten

Wer die Geschichte Zyperns kennt, wird auch die eingangs zitierte Liedstrophe besser nachvollziehen können. All die fremden Begehrlichkeiten und Einflüsse haben den Charakter der zypriotischen Kultur auf eine spezielle und unverwechselbare Weise geformt.

Ein Beispiel dafür sind etwa die Stoffdruck-Werkstätten, deren kunstvoll bedruckte Stoffe im 18. und 19. Jahrhundert ein wichtiger Exportartikel waren. In der Wiener Sammlung befinden sich an die 20 Kopftücher aus der letzten dieser Manufakturen. "Noch in den 1990ern konnte ich diese Werkstatt besuchen", berichtet Krpata. "Einige Jahre später wurde sie geschlossen – und vor kurzem starb der letzte Mensch in Zypern, der dieses Handwerk beherrschte und ausübte."

Ebenso typisch wie skurril sind die in die Sammlung aufgenommenen zypriotischen Kompositgefäße aus Ton. Diese meist überladenen Keramikobjekte dienen der Dekoration und werden noch heute von Frauen an fußgetriebenen Drehtellern hergestellt.

Kalebasse aus einem Bergdorf

Eine ganz besondere Geschichte verbindet die Ethnologin mit einer der zahlreichen Kalebassen ihrer Sammlung. "Diese als Schöpfer genutzte Kalebasse mit gekrümmtem Hals hat eine Bäuerin in einem kleinen Bergdorf für mich angefertigt", erzählt sie. Während in den 1980ern kaum noch jemand Kalebassen zum Aufbewahren von Getränken oder als Schöpfwerkzeug verwendete, hat diese Selbstversorgerin noch damit gearbeitet.

"Sie verwendete eine Kalebasse bei der Verarbeitung von mit Mehl eingedicktem Traubensaft, in den sie auf langen Strängen aufgefädelte Mandeln oder Walnüsse getunkt hat." Das köstliche Ergebnis ist der sogenannte Schouschoukkos – eine typisch zypriotische Süßigkeit.

Dass bei der Umsetzung dieses Onlineprojekts die Sammlerin selbst mitgearbeitet hat, ist ein seltener Glücksfall. Denn damit flossen auch das Wissen, die Erfahrung, die Kontakte und nicht zuletzt Fotomaterial aus über 25 Zypernaufenthalten mit ein. (Doris Griesser, 18.11.2020)