Murat Sabuncu, ehemaliger "Cumhuriyet"-Chefredakteur.


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Ankara – Mehrere Journalisten und Mitarbeiter der regierungskritischen türkischen Zeitung "Cumhuriyet" sind nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte lediglich auf Grundlage von Spekulationen festgenommen worden. Die vorliegenden Fakten gegen die acht hätten keinen begründeten Verdacht zugelassen, hieß es in dem am Dienstag veröffentlichten Urteil.

Die Festnahme und fortlaufende Inhaftierung vor dem Prozess habe demnach das Recht auf Freiheit von Ex-Chefredakteur Murat Sabuncu, Ex-Herausgeber Akin Atalay, Anwalt Bülent Utku, Karikaturist Musa Kart und weiteren verletzt. Weil sie unrechtmäßig gewesen sei, habe die Inhaftierung vor Prozessbeginn auch ihr Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt. Die Türkei soll den acht Klagenden in dem Fall je 16 000 Euro zahlen.

Zeitungsartikel als Beweise

In einem international aufmerksam verfolgten Prozess waren im April 2018 in der Türkei insgesamt 13 Ex-Mitarbeiter der "Cumhuriyet" zu Strafen zwischen zweieinhalb und zehn Jahren Haft wegen Terrorvorwürfen verurteilt worden. Als Beweise dienten vor allem Artikel aus der Zeitung. Im September vergangenen Jahres hatte das hohe Berufungsgericht Strafen gegen die ehemaligen "Cumhuriyet"-Mitarbeiter aufgehoben und die Freilassung der meisten Betroffenen angeordnet, die zu dem Zeitpunkt im Gefängnis saßen.

Allerdings widersetzte sich ein untergeordnetes Gericht mehr als zwei Monate später dem Urteil des Berufungsgerichts und hielt an den Haftstrafen von zwölf ehemaligen "Cumhuriyet"-Mitarbeitern fest. Lediglich der Journalist Kadri Gürsel wurde freigesprochen und eine Ausreisesperre gegen ihn aufgehoben. Der Menschenrechtsgerichtshof sah seinen Klageteil deshalb wie auch den einer weiteren Person als unzulässig an.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat. Gemeinsam kümmern sie sich um den Schutz und die Umsetzung der Menschenrechte in 47 Staaten. Das Menschenrechtsgericht ist kein Gericht der Europäischen Union. (APA/dpa, 10.11.2020)