Kaum war die Wien-Wahl geschlagen, machten erste Gerüchte über eine Ablöse von Parteichefin Birgit Hebein die Runde. Auf den ersten Blick ist es ein Widerspruch, holten die Grünen mit 14,8 Prozent doch ihr bestes Ergebnis je in Wien. Noch schwerer wiegt aber, dass es der Partei nicht gelungen ist, die rot-grüne Koalition fortzusetzen. Das war das klare Ziel Hebeins, das sie nicht erreichen konnte; zumal die Verhandlungen zwischen Rot und Pink gut laufen dürften – und man bald eine Einigung präsentieren will.

Die grüne Parteichefin Birgit Hebein.
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Jetzt zu sagen, Hebein muss gehen, damit die Grünen in Zukunft wieder besser dastehen, ist dennoch zu kurz gegriffen. Sicher spielen die Personen an der Spitze eine Rolle; die Herausforderung für die Wiener Grünen ist aber viel mehr, sich als Oppositionspartei neu zu definieren. Das geht nicht von heute auf morgen und ist mit einem schnellen Wechsel an der Spitze nicht erledigt. Einerseits müssen die Grünen künftig die Kontrollfunktion ausüben, wie sie das vor 2010 in Wien ja gemacht haben, andererseits thematisch trotzdem ein konstruktiver Partner bleiben – wenn es etwa darum geht, den Klimaschutz voranzutreiben. Erschwerend dazu kommt die Bundesebene, wo die Grünen mit Türkis regieren und Bürgermeister Michael Ludwig sich klar als Gegenpol positionieren will.

Die zweite große Aufgabe ist es, Vertrauen zurückzugewinnen. Einerseits bei den Wählern – viele sind enttäuscht, dass die Grünen künftig nicht mehr Teil der Koalition sind, und fragen sich, ob es sich noch lohnt, für sie zu stimmen.

Andererseits müssen die Grünen langfristig auch bei der SPÖ wieder den Eindruck hinterlassen, ein verlässlicher Partner zu sein. Wie konnte es passieren, dass Ludwig die Neos vorzog? Diese Fragen muss sich die Partei stellen. Sie muss offen und ehrlich darüber diskutieren und reflektieren, um für die Zukunft die richtigen Lehren zu ziehen. (Rosa Winkler-Hermaden, 11.11.2020)