Die Königsdisziplin der Festbegründung ist es, einen Anlass fürs Feiern zu finden, wenn es eigentlich gar keinen gibt. Das Paradebeispiel ist der Sankt-Martins-Tag. Denn Martin war der Legende nach selbst für einen Heiligen außerordentlich bescheiden. Man darf also getrost davon ausgehen, dass ihm jegliche Festivitäten und Ausschweifungen von Natur aus eher zuwider gewesen sein dürften. Nichtsdestotrotz ist der Martinstag seit jeher ein Anlass, um es lukullisch so richtig krachen zu lassen.

Und da kommt die Gans ins Spiel. Denn als die Wahl zum Bischof anstand, versteckte sich der gute Martin in einem Gänsestall. Sein Leben als Einsiedler wollte er nicht aufgeben. Die Gänse schnatterten, Martin wurde entdeckt und so doch noch Bischof von Tours, den wir bis heute am 11. November mit einem Ganslbraten feiern. In anderen Schriften steht, dass in Zeiten des Lehenswesens Schulden meist in Naturalien abbezahlt wurden. Just zu Martini war ein solches Lehen fällig – und wurde meist in Form einer Gans getilgt.

"Gansl ist eine Pflichtdelikatesse in dieser Jahreszeit. Es ist etwas Besonderes, auf das ich mich jedes Jahr freue." Heinz Reitbauer
Foto: Marija Kanizaj

Derlei ist heute ohnehin obsolet. Denn Gänselehen bekommt niemand mehr. Mit Glück wird man zum Ganslessen eingeladen, oder aber man gönnt sich eine im Gasthaus. Und wenn ein Virus sogar jahrhundertealten Traditionen gefährlich wird, dann gibt es die Gans eben zum Mitnehmen (siehe Kasten unten). Oder man versucht sich selbst an dem Vogel.

Damit die Wahrscheinlichkeit des Gelingens exponentiell nach oben schnellt, haben wir den Steirereck-Haubenkoch Heinz Reitbauer um eine profunde Schritt-für-Schritt-Anleitung für den perfekten Gänsebraten gebeten.

Gans mit Feld- und Winterfrüchten nebst Erdäpfelknödel und Blaukraut à la Steirereck in der im Restaurant servierten Variante. Momentan gibt es im Steirereck aber auch nur das Gansl to go über Steirereck Hausbesuch.
Foto: Steirereck

Gute Wahl

Die Qualität des Fleisches ist auch bei der Gans die unabdingliche Basis für ein gutes Gericht. Die Gänse aus dem Steirereck sind zudem acht bis zehn Tage gereift. Beim Kauf also auf das Schlachtdatum und auf die Aufzucht achten. Weidegänse beispielsweise verfügen aufgrund der Zeit (etwa 28 Wochen), die sie zum Aufwachsen im Freien bekommen, über ein kompaktes und geschmacksintensives Fleisch.

Auf dem Trockenen sitzen

ist auch für die Gans fatal. Daher, wenn möglich, einen Fond aus Wurzelgemüse, Zwiebel, Knoblauch, Gansl-Ab- und Zuschnitten (Hals, Flügerln, Haut) sowie entferntem Gänsefett kochen. Wichtig ist, dass keine Kräuterpartikel auf die Haut der Gans kommen. Diese verbrennen dort. Wenn Partikel, sprich Kräuterstückchen oder Ähnliches, im Sud sind, diesen durch ein Teesieb streichen und der Gans so verabreichen.

Gut gebettet

ist die Gans im Bräter, wenn sie 80 Prozent der Garzeit mit der Brust nach unten liegt. Mit dem Fond die Gans immer wieder übergießen, während sie bei 140 bis 160 Grad, je nach Ofen, gar wird. Zeitlicher Richtwert ist eine Stunde Garzeit pro Kilogramm Gans.

Gans unter die Haube

Wer seiner Ofenhoffnung ein Häubchen aus Alufolie angedeihen lässt, darf sich auf eine saftige Überraschung freuen. Der Wasserdampf zirkuliert unter der Haube. Diese wird zur Dunstglocke, die kein Tröpfchen Saftigkeit entrinnen lässt. Die Gans ist bis zum jetzigen Zeitpunkt ungewürzt und ungesalzen.

Nach dem Pareto-Prinzip

wird die Gans gedreht, sobald 80 Prozent der Garzeit verstrichen sind, also für die letzten 40 bis 50 Minuten bei einer Vier-Kilo-Gans. Gut gefüllt ist der Braten, wenn man den Bauchraum der Gans mit Apfel- und Zwiebelspalten sowie Majoran und einer kleinen Knoblauchzehe befüllt. Jetzt ist auch der Zeitpunkt des Würzens gekommen. Im Steirereck bekommt die Gans eine Mischung aus Koriander, Pfeffer, Nelken und Zimt mit dem Salz verabreicht. Trotzdem: Die Gans soll nach Gans und nicht nach Weihnachten schmecken.

Das knusprige Finale

Um die knusprig goldbraune Kruste geht es in den letzten 15 bis 20 Minuten der Gans-Kunst. Jetzt darf der Braten aufs Trockene, entweder im Bräter oder sogar auf dem Ofengitter. Mit Gänsefett oder Butter einschmieren und bei 220 Grad knusprig goldbraun backen. (Nina Wessely, 10.11.2020)