Bildungsminister Heinz Faßmann will den Präsenzunterricht an Schulen mit allen Mitteln aufrechterhalten.

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Wien – Sowohl Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) als auch der Sonderbeauftragte im Gesundheitsministerium und Co-Vorsitzende der Corona-Ampelkommission, Clemens Martin Auer, haben sich am Mittwoch bei einer Pressekonferenz klar gegen eine Schließung von Schulen und Kindergärten ausgesprochen. Das sei wirklich die Ultima Ratio, betonten beide. Die allgemeine Zahl der Neuinfektionen in der Bevölkerung sei jedoch "sehr hoch", die Lage "sehr, sehr ernst", sagte Auer.

Das Gesundheitsministerium teile die Position des Unterrichtsministeriums, dass ein Ende des Präsenzunterrichts für die Primar- und Sekundarstufen verhindert werden soll, "solange es irgendwie geht", sagte der Gesundheitsexperte.

Zur Frage, ob ein kompletter Lockdown notwendig wird, sagte Auer, das könne er noch nicht beurteilen, das komme darauf an, ob die Infektionszahlen weiter wie bisher steigen und wie sich die Krankenhauskapazitäten entwickeln. "Die Grenze ist, ob wir weiterhin rasant wachsen", sagte Auer. "Niemand will das, aber wenn sich die Zahlen anders entwickeln, dann ist es so, wie es ist." Am Freitag wird die Regierung über weitere Maßnahmen entscheiden.

Neue Testverfahren für Schulen

Um den Präsenzunterricht an Schulen aufrechtzuerhalten, brauche es schnellere Tests, sagte Bildungsminister Faßmann und stellte deshalb neue Testverfahren vor. Für diese Antigenschnelltests sollen mobile Teams an Schulen kommen, bei symptomatischen Kindern einen Nasen- oder Rachenabstrich nehmen und die Proben gleich vor Ort auswerten. Das Ergebnis liege dann innerhalb weniger Minuten vor, so Faßmann. Ist es positiv, wird die Gesundheitsbehörde eingeschaltet. Bei unter 14-Jährigen sollen die Tests nur mit Einverständnis der Eltern stattfinden.

In den Bezirken Innsbruck-Stadt und Innsbruck-Land wird bereits ein Pilotprojekt umgesetzt. Das Problem bei diesen Maßnahmen ist derzeit noch der Rücklauf der notwendigen Einverständniserklärungen für die Schnelltests seitens der Eltern und der Jugendlichen. Insgesamt sind laut dem Bildungsdirektor für Tirol, Paul Gappmaier, und der Landesschulärztin Claudia Mark mit Stand vom 4. November lediglich 34,66 Prozent der Erklärungen unterschrieben eingegangen.

Ein zweites Testverfahren, das das Warten auf Ergebnisse verkürzen soll, soll in sogenannten RT-Lamp-Bussen stattfinden, erklärte Faßmann. Dabei handle es sich um ein valides Testverfahren mit dem Vorteil, dass die Analyse schneller erfolge, und zwar ohne komplizierte Labortechniken. Die Virusabnahme erfolgt, wie bei den bereits in Wien eingesetzten Gurgeltests, via Gurgelflüssigkeit. Das Ergebnis bekomme man dann durch Erhitzen, eine Farbveränderung zeigt an, ob das Ergebnis positiv oder negativ ist. Das Land Niederösterreich erkenne dieses Verfahren als einem PCR-Test gleichwertig an, betonte der Bildungsminister. Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) überlegt, in allen niederösterreichischen Regionen ein solches Fahrzeug zur Verfügung zu stellen.

Breite Front gegen Schulschließungen

Im Laufe des Mittwochs wuchs die Front gegen mögliche Schulschließungen. Die Kinder- und Jugendanwaltschaften bevorzugen flexiblere Lösungen wie Klassenteilungen, eine Mischform aus Präsenz- und Fernunterricht sowie zusätzliche Räume und Lehrer. Die Wirtschaftskammer verwies auch auf die Folgewirkungen für zahlreiche Betriebe. "Rund zwei Drittel aller weiblichen Selbstständigen sind Ein-Personen-Unternehmen, also im Job auf sich allein gestellt. Wir wissen zudem aus aktuellen Umfragen, dass es nach wie vor zumeist die Frauen sind, die die Doppelbelastung von Job und Familie beziehungsweise betreuungspflichtigen Kindern stemmen müssen", erklärte WKO-Vizepräsidentin Martha Schultz.

Caritas-Generalsekretärin Anna Parr erinnert daran, dass viele Kinder und Jugendliche bereits während des ersten Lockdowns Bildungsrückstände aufgebaut hätten. Ähnlich äußerten sich die Österreichische Gesellschaft für Kinderschutz Medizin (ÖGKiM) und das Institut für Ethik und Recht in der Medizin (IERM) der Universität Wien. Auch die Ärztekammer plädierte für ein Offenhalten der Schulen. Kinder würden sich seltener infizieren, weniger häufig symptomatisch erkranken und das Virus seltener weitergeben als Erwachsene, verwies man auf eine Stellungnahme der Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde. (red, APA, 11.11.2020)