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Alvin Yeung, Kwok Ka-ki, Kenneth Leung und Dennis Kwok verlassen das Parlament.

Foto: Reuters/TYRONE SIU

Die vier Oppositionspolitiker waren Peking schon länger ein Dorn im Auge: Alvin Yeung, Kwok Ka-ki, Dennis Kwok und Kenneth Leung mussten am Mittwoch das Hongkonger Parlament verlassen, nachdem ein neues Gesetz in Kraft getreten war. Dieses besagt, dass Hongkongs Regierung nun Abgeordnete aus dem Parlament werfen kann, ohne dafür einen Gerichtsbeschluss einholen zu müssen.

Aus Solidarität mit den vier ausgeschlossenen Politikern kündigten 19 weitere Oppositionsabgeordnete ihren Rücktritt an. Das ist die gesamte prodemokratische Fraktion in Hongkongs Parlament mit seinen 70 Sitzen. Deren Sprecher Wu Chi-wai kritisierte dabei, dass mit dem neuen Gesetz die Gewaltentrennung in Hongkong beendet sei. Alle Macht würde in der Hand der Regierungschefin Carrie Lam liegen, die wiederum eine Marionette der Zentralregierung sei. "Das ist also das Ende von 'Ein Land, zwei Systeme'", sagte er.

Das neue Gesetz kommt vom Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses in Peking. Gründe für einen Ausschluss aus dem Hongkonger Parlament sind demnach etwa ein Engagement für die Unabhängigkeit Hongkongs, die Beteiligung an Handlungen, die die nationale Sicherheit gefährden, oder die Unterstützung ausländischer Kräfte bei dem Versuch, sich in innere Angelegenheiten einzumischen. Die vier Betroffenen hätten die nationale Sicherheit gefährdet, gab die Stadtregierung bekannt, ohne Details zu nennen.

Mit dem Gesetz hat Peking ein weiteres Instrument in der Hand, um sich unliebsamer Politikerinnen und Politiker in Hongkong zu entledigen. Bereits im Juni hatte die Zentralregierung ein höchst umstrittenes, weitreichendes Nationales Sicherheitsgesetz erlassen, das ihr direkteren Zugriff auf Hongkong verschaffte. Dem waren monatelange Proteste in Hongkong vorausgegangen, teilweise gingen Hunderttausende auf die Straßen, um sich gegen Pekings zunehmenden Einfluss zu wehren. In Hongkong herrscht ja im Gegensatz zum Festland ein demokratisches System, das auch nach der Rückgabe von Großbritannien an China 1997 erhalten blieb, und zwar für mindestens 50 weitere Jahre. Nach Pekinger Lesart müsste die Finanzmetropole aber schon zuvor angeglichen werden. Mit dem Sicherheitsgesetz vom Juni hat China nun direkte Zugriffsrechte auf Hongkong, etliche Demokratieaktivisten verließen daraufhin das Land.

"Ausschluss eine Ehre"

Die vier nun entlassenen Politiker sind allesamt vehemente Verteidiger der Demokratie. "Wenn ordnungsgemäßes Handeln und der Kampf für Demokratie zum Ausschluss führen können, dann ist mir der Ausschluss eine Ehre", sagte Kwok auf dem Weg aus dem Versammlungssaal.

Die vier waren schon im Juni von den Lokalwahlen ausgeschlossen worden, die eigentlich im September hätten stattfinden sollen. Wegen der Corona-Krise wurden diese aber um ein Jahr verschoben. Das sei auch der Grund, warum es zu keiner Nachbesetzung durch Nachwahlen kommen wird, sagte Lam am Mittwoch. In bereits einem Jahr würden ohnehin Wahlen stattfinden.

Denunziationshotline eingerichtet

Immer strikter setzt Peking sein System, das es auf dem Festland seit Jahrzehnten erprobt, auch in Hongkong um. Am Montag hat die Hongkonger Polizei eine Telefonhotline eingerichtet, die Einwohnerinnen und Einwohner dazu anstiftet, Verstöße ihrer Nachbarn gegen das Gesetz zu melden. Über die Nummer können Anrufer auch Bilder, Text-, Audio- und Videodateien schicken – und zwar anonym. (Anna Sawerthal, 11.11.2020)