Addis Abeba hat nach Monaten der Spannungen vor einer Woche eine Offensive gegen die Rebellengruppe und die Regierungspartei von Tigray begonnen. Hilfsorganisationen warnen vor einer humanitären Krise.

Foto: AFP/EDUARDO SOTERAS

Nairobi – Im zunehmend eskalierenden Bürgerkrieg in Äthiopien sind tausende Menschen in den benachbarten Sudan geflohen. Die Vereinten Nationen sprachen nach Reuters-Informationen am Mittwoch von 6.000 bis 7.000 Menschen, die die Region Tigray im Norden des Landes wegen der anhaltenden Kämpfe bereits Richtung Grenze verlassen haben. "Die Zahl steigt rund um die Uhr", sagte Alsir Khaled von der Sudanesischen Flüchtlingskommission.

In Tigray liefern sich Regierungstruppen einen Konflikt mit der dort regierenden Tigray-Volksbefreiungsfront (TPLF). Wegen der Eskalation wachsen auch Befürchtungen, dass nicht nur Äthiopien mit seinen 110 Millionen Bewohnern, sondern die gesamte Region am Horn von Afrika destabilisiert werden könnte. Hilfsorganisationen warnen vor einer humanitären Krise infolge der Offensive.

Machtkampf um Tigray

"Wir werden nicht ruhen, bis diese Junta ihre gerechte Strafe erhält", erklärte Ministerpräsident Abiy Ahmed am Dienstagabend per Twitter mit Blick auf die Regionalregierung in Tigray. Bei dem Konflikt geht es um ethnische Spannungen zwischen den Tigrayern, die das Land über Jahrzehnte kontrolliert hatten, und den Oromo, der größten ethnischen Gruppe des Landes, der auch Abiy angehört. Abiy ist seit April 2018 Ministerpräsident. Der von ihm gebildeten Einheitsregierung trat die TPLF seinerzeit nicht bei. Die Spannungen nehmen seit September zu, als in Tigray gewählt wurde, was die Zentralregierung als illegal bezeichnete.

Abiy war für seine Bemühungen um eine Aussöhnung mit dem benachbarten Eritrea 2019 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Er hat Äthiopien zudem wirtschaftlich und politisch geöffnet, die ethnischen Spannungen aber nicht in den Griff bekommen.

Militär spricht von 500 Toten

Nach Angaben der Regierung sind im Zuge der Militäroffensive bereits hunderte Menschen getötet worden. Der staatliche Sender Fana zitierte am Dienstag einen führenden Militärvertreter, der von 500 getöteten Mitgliedern der "Extremistengruppe" sprach.

Allerdings konnten diese Angaben nicht unabhängig nachgeprüft werden, da Tigray derzeit von der Außenwelt weitgehend abgeschnitten ist und Internet- und Telekommunikation kaum möglich ist. Äthiopiens Verteidigungsminister Kenea Yadeta betonte am Mittwoch erneut die Angaben der Regierung, die Offensive in Tigray sei kein Bürgerkrieg, sondern eine "Maßnahme des Gesetzesvollzugs". (Reuters, APA, red, 11.11.2020)