Die Pandemie hält den Veranstaltungsbetrieb im Würgegriff und wirkt sich damit massiv auf Kunst- und Kulturschaffende aus. Betroffen sind jedoch nicht nur Künstlerinnen und Künstler an der Rampe, vielmehr auch ein weites Berufsfeld dahinter: Zulieferbetriebe, Management, Agenturen, Kuratoren, Marketing, Verwaltung, Technik, Ticketing, Security, Vermittlung, Kommunikation etc. Menschen, die nicht im Scheinwerferlicht stehen und deren Jobs ohnehin oft prekär sind, müssen sich in Krisenzeiten wie diesen bei der Politik erst Gehör verschaffen. Dabei ist dieses "Backstage"-Räderwerk essenziell und gewichtig. In Theaterhäusern ist das Verhältnis zwischen künstlerischem und nichtkünstlerischem Personal beispielsweise grob ein zu zwei Dritteln. Auch freischaffende Künstlerinnen und Künstler, Ensembles, Compagnien und Orchester kommen ohne diese Strukturen im Hintergrund nicht aus. Wie es jetzt für sie weitergeht, das erzählen hier vier Kulturarbeiter.


Philipp Vollnhofer – Technik und Booking

Als ein Anfang 2020 neu gegründetes EPU im Kabarettbereich hat es mich hart getroffen. Es summieren sich auf der einen Seite gestundete Sozialversicherungsbeiträge, Grundumlagen, aufgeschobene Mieten. Auf der anderen Seite gibt es kaum Einnahmen. Wir haben all unsere Hoffnungen, diese finanzielle Schieflage in den Griff zu bekommen, auf den Herbst gesetzt.

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Als Neugründer falle ich auch jetzt bei den kolportierten 80 Prozent Umsatzkompensationen durch, weil ich noch keinen Vorjahresumsatz habe. Als jemand, der Technik und Agenturdienstleistungen anbietet, falle ich außerdem nicht unter die "Direktbetroffenen". Es ist also schwierig, sich mit den derzeitigen Hilfen über Wasser zu halten.

Am meisten Sorgen macht mir aber, dass sich vermutlich die gesamte Branche jahrelang nicht erholen wird. Irgendwann wird es möglich sein, wieder zu veranstalten. Spätestens dann sind die Hilfen aus. Dann werden die Kosten wieder voll einschlagen. An mir hängen aktuell zehn Künstler und Künstlerinnen, für die ich Booking bzw. Technik mache. Technik kann man relativ schnell wieder hochfahren, die Vorlaufzeit fürs Booking liegt aber normalerweise bei sechs bis 18 Monaten.


Lisa Weiß – Produktionsleiterin

Als freiberufliche Produktionsleiterin für Bühnen in Vorarlberg habe ich seit der Pandemie natürlich weniger verdient. Weniger Produktionen bedeuten weniger Geld. Ich hatte aber noch Glück, da die Frühjahrsinszenierung des Unpop-Ensembles im März noch haarscharf vor dem ersten Lockdown abgespielt werden konnte und die im Herbst nun genauso knapp Ende Oktober. Allerdings war ich für den interkulturellen Verein Motif, wo ich bisher auch regelmäßig engagiert war, fast nur mit Absagen beschäftigt. Aufwand und Einnahmen standen in keinem Verhältnis. Nebenbei arbeite ich noch als Yogalehrerin, aber das ist momentan auch sehr eingeschränkt.

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Zum Glück bin ich seit 1. November in einem Anstellungsverhältnis bei der Kulturwerkstatt Kammgarn in Hard (nahe Bregenz). Das ist ein völlig anderes Sicherheitsgefühl und – zumal für eine Mutter zweier Kinder – sehr wertvoll. Absurderweise musste ich zwar mit meinem ersten Arbeitstag in Kurzarbeit gehen, aber immerhin habe ich derzeit keine Angst um meinen Job. Es hängt vieles längerfristig vom Mitziehen der Fördergeber bzw. vom Bekenntnis zu diesem Veranstaltungsort ab. Ich denke, Optimismus schadet nicht.


Ben Rowles – Kunstvermittler

Ich bin vor zwei Monaten nach Nürnberg gezogen, in Wien hatte ich keine Perspektive. Als die Museen im März ihre Tore schlossen, stand ich mit leeren Händen da. Als Kunstvermittler ist es so: Der Verdienst berechnet sich an der Zahl der Führungen.

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Vier Jahre habe ich für das Kunsthistorische Museum gearbeitet, eine Arbeit, die mich erfüllt hat. Als Dragqueen "Tiefe Kümmernis" habe ich sogar Spezialführungen angeboten, im Fummel und mit Fokus auf Geschlechterbilder und -verhältnisse. Das ging durch alle Medien, an meinen prekären Vertragsverhältnissen hat es aber nichts geändert. Erst nachdem wir Kunstvermittler alle Hebel in Bewegung gesetzt hatten, hat man auch uns in die Kurzarbeit aufgenommen. So kamen wir durch die ersten Krisenmonate.

Mit dem Wiederaufschließen der Museen und dem Ende der Kurzarbeit, rasselten unsere Einkommen wieder nach unten. Kaum Besucher, kaum Führungen, kaum Geld, so einfach ist das. Ich habe dann am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg einen befristeten Vollzeitvertrag als wissenschaftlicher Mitarbeiter für digitale Vermittlung ergattert und Wien verlassen. Das hat mir wehgetan. In Wien hätte ich aber unmöglich was gefunden.


Joanna Pianka – Fotografin

Ich bin Berufsfotografin und habe mich in den letzten zehn Jahren auf die Dokumentation von Kunst- und Kulturevents spezialisiert. Bei mir wurden alle Jobs ab Mitte Februar abgeblasen. Im Sommer kamen dann interessante Aufträge herein: Man hat gemerkt, dass die Leute Zeit hatten, sich um ihre Archive zu kümmern, Publikationen zu machen. Im Herbst gab es wahnsinnig viel Arbeit für mich. Alles, was im Frühling nicht ging, wurde nachgeholt, was extrem kräfteraubend für alle Beteiligten war. Mitte Oktober wurde dann wieder alles abgesagt.

Foto: Igor Krakowiak

Diese Unsicherheit, nicht planen zu können: Das macht uns alle fertig. Als EPU, das kein Studio mietet, kann ich meine Ausgaben gering halten. Mit dem WKO-Hilfsfonds und kleineren Projekten geht sich mit Ach und Krach eine schwarze Null aus. Auf so viele Künstlerinnen und Künstler, die ich kenne, trifft das aber nicht zu. Ihre Situation ist eine Katastrophe. Im Kulturbereich gab es kaum Covid-Fälle, also hoffe ich, dass hier doch noch eine Möglichkeit unter Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen gefunden wird, sodass die Branche arbeiten kann. Bis Ende des Jahres komme ich mit meinen Rücklagen aus, dann geht es nicht mehr.


Ines Dallaji – Bookerin

Ende 2018 habe ich mich neben meinem Gesangsstudium als Bookerin selbstständig gemacht. Meine Agentur Lautmalerei hat einen Schwerpunkt auf Dialektmusik, Indie, World und Jazz. Das hat sich schnell herumgesprochen und zur Spitzenzeit habe ich neun Acts betreut. 2019 habe ich reingearbeitet, 2020 wären die Konzerte gewesen. Dann kam Corona.

Foto: Privat

Meine Arbeit heuer hat hauptsächlich aus dem Verschieben von Konzerten bestanden. Was das kommende Jahr betrifft, ist es schwierig, mit VeranstalterInnen etwas Neues zu fixieren. Niemand weiß, wann wieder Normalbetrieb herrschen kann. In der Zeit, in der etwas möglich, also nicht Lockdown war, gab es so viel Konkurrenz – der Kultursommer zum Beispiel.

Da ich mit dem Booking immer an der Geringfügigkeitsgrenze herumschramme und nicht selbstversichert bin, falle ich nicht in den Härtefallfonds. Ich lebe sparsam, habe Rücklagen, meine Familie unterstützt mich – ich wurschtel mich durch. Wenn bessere Zeiten aber nicht kommen, muss eine Anstellung her. Wer den Arbeitsmarkt im Kulturbereich verfolgt, weiß, dass nicht viel ausgeschrieben ist. Bis zum Sommer studiere ich noch, solange gebe ich mir Zeit. (Margarete Affenzeller, Amira Ben Saoud, Stephan Hilpold, Stefan Weiss, 12.11.2020)