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PRO: Schützt Schüler und Lehrer

von Thomas Mayer

Aus den Lockdowns, zu denen die meisten EU-Staaten im Frühjahr in ähnlicher Form gegriffen haben, um die Eskalation der Corona-Infektionen zu stoppen, ließen sich drei grundlegende Erkenntnisse gewinnen.

Erstens: Alle Verantwortlichen müssen rasch handeln, auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse. Jeder Tag zählt. Wenn Beschränkungen der Grundrechte im Spiel sind, neigen die diversen Interessensgruppen dazu, die Dinge zu zerreden.

Zweitens: Die Krisenmanager – Regierungen und Parlamente – dürfen sich nicht von ideologischen Fixierungen blenden lassen, müssen vermeintlich Undenkbares ins Kalkül ziehen.

Drittens: Der Erfolg solcher Maßnahmenpakete stellt sich nur dann ein, wenn die Masse der Bürger sie versteht, wenn schlimme Wahrheiten leicht verständlich vermittelt werden. Möglichst konkret, mit Daten.

Die zweite Corona-Welle läuft mächtiger durch Europa als im Frühjahr. Man sollte besser nichts ausschließen, wenn man sie in den Ländern brechen will – auch nicht weitere Schulschließungen in Unterstufen und Vorschulen für gewisse Zeit. Belgien, Tschechien, Südtirol haben es gerade vorgemacht.

Niemand will Kinder zu Hause einsperren. Schulgebäude bleiben offen, es gibt weiter staatliche Betreuung, wenn nötig. Aber wenn wie in Oberösterreich zuletzt jede fünfte von 1.183 Neuinfektionen Schüler und Lehrer betrifft, kann es nur eine Maxime geben: Schützt sie und uns! Gesundheit geht vor. (Thomas Mayer, 12.11.2020)

KONTRA: Keine einfachen Lösungen

von Petra Stuiber

Zugegeben, es wäre die einfachste Lösung, alle Schulen und Kindergärten zu schließen. Denn wenn die Kinder zu Hause bleiben, tun das auch deren Eltern – vor allem die Mütter. Mit deren Doppelt- und Dreifachbelastung zu Hause erstirbt das öffentliche Leben automatisch, die Infektionszahlen sinken. So denkt man darüber im Umfeld des Bundeskanzlers. Man betrachtet die Sache dort "rein epidemiologisch" und fühlt sich im Recht, eine derart drastische Maßnahme zu setzen. Auch deshalb, weil die Infektionszahlen sich nicht so rasch stabilisieren, wie man erhofft hatte.

So einfach ist die Sache nur leider nicht: Hier geht es um die Zukunft ganzer Generationen. Da sollte man erwarten dürfen, dass die Regierung nicht an die einfachste Lösung denkt – sondern an die sinnvollste. Es ist schier unbegreiflich, warum die Schulen morgens noch immer nicht gestaffelt beginnen, um mögliche Infektionsherde in öffentlichen Verkehrsmitteln zu verhindern; warum nicht bundesweit in großem Stil zusätzliche Containerklassen aufgestellt wurden; warum die Lehrer nicht längst alle mit FFP2-Masken ausgestattet sind.

Wenn es nun heißt, im Falle eines Lockdowns werde dafür gesorgt, dass "jene Kinder, die es brauchen, weiterhin betreut werden", muss man auf die Erfahrungen des Frühlings verweisen: Damals haben viele Kindergartenleiterinnen die Eltern händeringend gebeten, ihre Kinder nicht zu bringen. Im Ernstfall bleiben Familien auf sich gestellt. (Petra Stuiber, 12.11.2020)