Die Massentötung von Nerzen in Dänemark ist offenbar illegal. Das Ende der Pelzfarmen scheint dennoch besiegelt.

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Die Gräben sind längst ausgehoben, und mehr als 2,5 Millionen tote Nerze liegen schon darin. Doch der Befehl, mit dem die dänische Regierung vergangene Woche hastig die Schlachtung aller rund 17 Millionen der Mardertiere in Auftrag gegeben hat, hätte so allem Augenschein nach nicht fallen dürfen. Premierministerin Mette Frederiksen gestand Mitte der Woche ein, dass sie per Gesetz eigentlich nur das Ende jener Nerze hätte besiegeln dürfen, die innerhalb einer 7,8 Kilometer großen Infektionszone in der Provinz Nordjütland lebten. Dort hatte sich laut den Gesundheitsbehörden eine Mutation des Coronavirus von Nerzen aus auch auf Menschen verbreitet, die möglicherweise für eine Impfung unempfindlicher wäre.

Mittlerweile allerdings gibt es heftige Kritik an der Entscheidung. Das liegt zum einen daran, dass die besagte Mutation ("Cluster 5") unter Menschen offenbar schon wieder ausgestorben ist. Insgesamt zwölf Fälle habe es ursprünglich gegeben, so das staatliche Serum-Institut. Mindestens eine Diagnose habe aber zurückgenommen werden müssen – und der letzte Fall bei einem Menschen sei im September diagnostiziert worden. Zum anderen ist es die dänische Mitte-rechts-Opposition, die gegen das Vorhaben, die gesamte Pelzindustrie im Land einzustellen, Sturm läuft. Es gebe für die rund 1.100 Pelzfarmen und ihre Mitarbeiter im ganzen Land keinen ausreichenden Entschädigungsplan, argumentiert sie.

"Wir haben einen Fehler gemacht"

Und vor allem: Dass die Regierung ohne rechtliche Grundlage die Tötung sämtlicher Nerze im Land befohlen habe, sei "ein Glücksspiel mit der dänischen Demokratie", wie es der Chef der liberalen Venstre-Partei, Jakob Ellemann-Jensen, ausdrückt. Premierministerin Frederiksen ist in der Defensive. Dass das Vorhaben der Regierung illegal gewesen sei, habe sie vergangene Woche noch nicht gewusst, sagt sie. Ihr sei das erst am Wochenende mitgeteilt worden. Und auch der zuständige Landwirtschaftsminister Mogens Jensen gesteht ein: "Wir haben einen Fehler gemacht." Es habe in der Tat keine rechtliche Grundlage für sein Handeln gegeben. Farmen außerhalb der 7,8-Kilometer-Zone hätte man nicht schließen dürfen.

Das große Schlachten geht im Land mit der bisher weltgrößten Nerzproduktion dennoch vorerst weiter, denn die meisten Betriebe rechnen immer noch mit ihrem baldigen Ende. Was sie bisher nicht hatte, will die sozialdemokratische Minderheitsregierung nun schaffen: ein Gesetz, auf dessen Basis das Ende der Nerzwirtschaft im Land begründet werden kann. Ein erster Versuch mittels Notgesetzgebung wurde zwar am Dienstag mangels Zweidrittelmehrheit wieder zurückgezogen. Ein normales Gesetz, das mit einfacher Mehrheit beschlossen werden kann, soll aber bald folgen. Die Nerzindustrie in Dänemark, so die Regierung, müsse sich weiter auf ein Aus einstellen.

"Kein Covid-20"

Die aktuelle Virusmutation dürfte, auch wenn sie noch nicht ausgestorben sein sollte, zwar nicht den Horrorszenarien der dänischen Forscher entsprechen, vermutet die Mehrheit der Experten und auch die WHO. Sie gehen mittlerweile davon aus, dass die Gefahr, die durch "Cluster 5" ausgeht, geringer sein dürfte, als man in Dänemark zunächst annahm. Es scheint zwar der Fall zu sein, dass Antikörper gegen Covid-19-Infektionen im Fall dieser Virusvariante ein wenig schlechter wirken könnten. Der Virologe Norbert Nowotny (Veterinärmedizinische Universität Wien) hält es aber für unwahrscheinlich, dass die bereits entwickelten Impfstoffe ihre Wirkung verlieren könnten. Und völlig auszuschließen sei, dass es sich um eine so starke Mutation handeln würde, "dass man von Covid-20 sprechen müsste".

Allgemein stellen die Nerzfarmen für den Kampf gegen das Coronavirus aber dennoch eine große Gefahr dar, halten Wissenschafter in Dänemark laut Medienberichten dagegen. Mindestens fünf weitere Mutationen bei Nerzen habe es allein in Dänemark schon gegeben. Und dass das Virus sich in der Nerzpopulation massiv ausbreite und sich von dort wieder auf den Menschen verbreiten könne, wisse man. Zudem sei Corona auch für die Tiere selbst eine Gefahr. Diese würden oft schwer erkranken, vor allem ältere Tiere würden dann an massiven Atembeschwerden zugrunde gehen.

Das Reservoir bleibt

Anderswo hat das freilich noch nicht zu einem Umdenken geführt. Auch in Finnland und Polen werden Nerze im großen Stil für die Pelzproduktion gehalten, dort will man keine Corona-Welle auf den Farmen festgestellt haben. Ebenso ist es nach einem Bericht des "Guardian" in Schweden. Dort sagt der Chef der Tierschutzorganisation Djurens Rätt der Zeitung aber auch: Es sei zwar keine Massenschlachtung aus Gesundheitsgründen zu erwarten, aber "die meisten Tiere, die nicht zur Züchtung nötig sind, werden ohnehin gerade wegen der Pelzsaison getötet".

Anders in den Niederlanden: Dort hat die Regierung bereits ein Ende der Produktion verfügt, nachdem in mehreren Produktionsstätten im Sommer das Virus festgestellt worden war. Ein Reservoir wird dennoch bleiben: denn auch in den USA hat sich das Virus auf Pelzfarmen in Wisconsin, Michigan und Utah verbreitet, mehr als 15.000 Nerze sollen dort bereits daran verendet sein. An eine Schließung der Betriebe denkt das amerikanische Landwirtschaftsministerium dennoch nicht. Und: Das Virus wurde auch in anderen Tieren bereits festgestellt: etwa in Katzen, Hunden – und in Zootigern. (Manuel Escher, Klaus Taschwer, 12.11.2020)