In Brunsbüttel steht eines von drei Kraftwerken von Vattenfall.

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Karlsruhe – Die Ausgleichszahlungen, die Atomkonzerne aufgrund des beschleunigten Atomausstiegs in Deutschland erhalten, müssen neu geregelt werden. Das hat das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVG) in einer am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung verlangt. Damit wurde die Verfassungsbeschwerde des schwedischen Versorgers Vattenfall stattgegeben.

Das BVG hatte bereits in einem Urteil im Dezember 2016 Entschädigungen verlangt, die Vorgaben seien bisher nicht erfüllt. Konkret geht es um Ausgleichszahlungen für die Vattenfall-Kernkraftwerke Brunsbüttel, Krümmel und Mülheim-Kärlich.

Gesetzes-Novelle mangelhaft

Der Erste Senat des Gerichts beanstandet mehrere Punkte. Zum einen seien die Voraussetzungen für Entschädigungszahlungen unklar geregelt. Die gesetzlichen Regelungen dazu sind in Teilen aber "unzumutbar", wie es in der Karlsruher Entscheidung heißt. Zum anderen könne die bisherige Gesetzes-Novelle zu einer doppelten Kürzung der Ansprüche führen. Schließlich sei die Novelle aber auch wegen formaler Mängel bisher nicht in Kraft getreten.

Es fehle an der verbindlichen Genehmigung der Regelung durch die EU-Kommission, so die Begründung. Der Gesetzgeber habe damit seine Pflicht noch nicht erfüllt, bis zum 30. Juni 2018 eine Neuregelung zu schaffen. "Der Gesetzgeber ist daher im Ergebnis weiterhin zur alsbaldigen Neuregelung verpflichtet", heißt es in dem Beschluss (AZ: 1 BvR 1550/19)

Nach der BVG-Entscheidung bekräftigte auch der Energiekonzern RWE seine Forderungen nach einer Entschädigung. "Wir haben früher immer gesagt, dass wir in Summe ungefähr an Entschädigung einen mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag erwarten. Daran hat sich auch heute nichts geändert", sagte Finanzchef Markus Krebber am Donnerstag während einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Die Details der Gerichtsentscheidung müssten zwar noch geprüft werden, die Rechtsposition werde sich allerdings "definitiv nicht verschlechtern".

Ende der Atomkraft 2022

Wegen des Reaktorunglücks im japanischen Fukushima hatte die deutsche Regierung 2011 für die 17 deutschen Kernkraftwerke eine nur wenige Monate zuvor beschlossene Laufzeit-Verlängerung zurückgenommen. Bis spätestens Ende 2022 müssen alle Meiler zu festen Terminen vom Netz gegangen sein. Dann ist Schluss mit der Atomkraft.

Das deutsche Bundesverfassungsgericht hatte 2016 nach Klagen von Eon, RWE und Vattenfall geurteilt, dass die Gesetzesnovelle, die diese Kehrtwende besiegelte, zwar im Wesentlichen mit dem Grundgesetz vereinbar war. Den Energiekonzernen steht für sinnlos gewordene Investitionen und verfallene Produktionsrechte aber ein angemessener Ausgleich zu.

Wegen des Atomausstiegs ist auch noch eine Klage von Vattenfall beim internationalen Schiedsgericht der Weltbank (ICSID) in Washington anhängig. Hier geht es um Forderungen von mehreren Milliarden Euro wegen der dauerhaften Stilllegung von Krümmel und Brunsbüttel. (APA, Reuters, red, 12.11.2020)