Ingeborg Zerbes wird die Untersuchungskommission zum Anschlag in Wien leiten.

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Wien – Die Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes leitet die von Innen- und Justizministerium eingesetzte Kommission zur Aufarbeitung möglicher Missstände im Vorfeld des Anschlags in der Wiener Innenstadt.

Vier Wochen ab Aufnahme ihrer Tätigkeit soll die fünfköpfige Kommission Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) einen ersten Bericht samt einer chronologischen Darstellung der Ereignisse vorlegen.

Die Besetzung

Zerbes war nach längerer Tätigkeit im Ausland, zuletzt an der Uni Bremen, erst im Vorjahr ans Wiener Juridicum zurückgekehrt, wo sie seither eine Professorenstelle am Institut für Strafrecht einnimmt. In Wien hatte sie sich auch habilitiert.

Weitere Mitglieder sind etwa der frühere Generalprokurator Werner Pleischl und der ehemalige Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Herbert Anderl. Mit dem ehemaligen Münchener Polizeipräsidenten Hubertus Andrä ist auch ein internationaler Experte dabei. Fünftes Kommissionsmitglied ist Franz Merli, der am Wiener Juridicum am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht arbeitet.

Fahrplan und Aufgaben

Eingesetzt wird die Untersuchungskommission formal am Donnerstag per Umlaufbeschluss durch den Ministerrat. Gewünscht ist eine Prozessanalyse der sicherheitsbehördlichen, justiziellen und nachrichtendienstlichen Reaktionen in- und ausländischer Behörden im Zusammenhang mit dem Anschlag. Auch das Wirken der Bewährungshilfe sowie des zur Deradikalisierung des späteren Attentäters beauftragten Vereins soll erörtert werden.

Innenminister Nehammer betonte, dass die Kommission alle Vorgänge in Bezug auf das Attentat genauestens prüfen und transparent aufklären werde. Es sei keine politische, sondern eine rein fachliche Kommission mit renommierten Experten. Justizministerin Zadić ergänzte, die Terrortat von Wien werde jetzt detailliert untersucht und aufgearbeitet: "Nur so können wir die richtigen Schlussfolgerungen ziehen." Die Mitglieder der Kommission nannte sie exzellent.

Kritik der Opposition

Die Opposition sieht dies anders und zweifelt an der Unabhängigkeit der Kommission. Laut SPÖ wolle die Regierung Innenminister Nehammer einen "Persilschein" im Eilverfahren ausstellen. "Wir sind wirklich skeptisch, ob eine Kommission unabhängig ist, wenn der, dessen politische Verantwortung untersucht werden soll, diese selbst einsetzt", meinte SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried. Das Parlament sei ignoriert worden.

Die FPÖ sah den Bock zum Gärtner gemacht. Insbesondere Anderls Bestellung sei ein deutliches Zeichen dafür, dass Nehammer weiter auf Vertuschung setze. "Anderl ist ein Mann des später wegen Korruption verurteilten Ex-Innenministers Strasser und war tief in dessen schwarzes Umfärbenetzwerk verstrickt", sagte FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer. Auch die Neos befürchten die Vertuschung von Fehlern. (APA, red, 12.11.2020)