Ace Magashule wurde vergangene Woche festgenommen. Für den regierenden ANC beginnt mit der Verhaftung prominenter Mitglieder eine schwierige Phase – und ein Kampf zwischen Reformern und Korruptionsverdächtigen.

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Ace Magashule sah es selbst kommen. Seine Verhaftung "im Hollywoodstil" sei unnötig, ließ der Generalsekretär der südafrikanischen Regierungspartei ANC bereits im vergangenen Monat öffentlich wissen: Schließlich sei er "ganz und gar unschuldig" und "ein gesetzestreuer Bürger". Jetzt tat Südafrikas Staatsanwaltschaft dem 61-jährigen Politiker zumindest diesen Gefallen: Magashule wurden keine Handschellen vor laufenden Kameras angelegt – er muss am Freitag lediglich vor Gericht in der Provinzhauptstadt Bloemfontein erscheinen, um die Anklage gegen ihn zur Kenntnis zu nehmen.

Diese wird auf Korruption und Betrug lauten – nur ein Bruchteil der Beschuldigungen, die dem Organisationschef der Regierungspartei sonst noch vorgeworfen werden. Magashule ist der höchstrangige amtierende Politiker des Afrikanischen Nationalkongresses, der bislang im Zusammenhang mit den zahllosen Korruptionsskandalen seiner Partei in den vergangenen zehn Jahren verhaftet wurde: eine Entwicklung, deren Bedeutung für das Land und die Partei Nelson Mandelas kaum zu überschätzen ist. Fachleuten zufolge könnte sie schließlich zu einer Spaltung der ältesten politischen Organisation Afrikas oder auch zum Sturz der Regierung unter Präsident Cyril Ramaphosa führen.

Geiselnahme des Staates

Magashules Verhaftung steht im Zusammenhang mit einem Skandal, der die Provinz namens Freistaat bereits vor sechs Jahren überschattet hatte. Damals sicherten sich Geschäftsleute einen staatlichen Auftrag über umgerechnet fast 15 Millionen Euro, in dessen Rahmen zahllose Township-Häuschen auf ihren Asbestgehalt hin untersucht werden sollten. Nur drei Prozent der Arbeiten wurden tatsächlich ausgeführt, trotzdem verschwand der volle Betrag in den Taschen der Geschäftsleute sowie an der Auftragsvergabe beteiligter Politiker. Als Premierminister der Provinz war auch Magashule an dem Betrugsfall beteiligt, wie Enthüllungsjournalist Pieter-Louis Myburgh in seinem Buch "Gangster State" nachwies.

Dass der Schritt der Staatsanwaltschaft so lange dauerte, liegt an der Unterwanderung der Anklagebehörde durch die Regierung unter Ramaphosas Vorgänger Jacob Zuma. Dieser hatte mit seinen Verbündeten außer der Staatsanwaltschaft auch die Steuerbehörde, Teile der Polizei sowie die Staatsbetriebe unterwandert und weitgehend lahmgelegt: Ein Phänomen, das hierzulande als "State Capture" (Geiselnahme des Staates) bezeichnet wird. Magashule gilt als einer der engsten Freunde Zumas: Er soll von der berüchtigten Gupta-Familie, die mit Zumas Familie eng zusammenarbeitete, auch ein zusätzliches Monatsgehalt in Höhe von umgerechnet über 60.000 Euro erhalten haben.

Boykott für Boykott-Beschluss

Dem ANC-Generalsekretär wird ferner vorgeworfen, in die Veruntreuung staatlicher Gelder in Höhe von fast zehn Millionen Euro für ein mittellosen schwarzen Farmern zugute kommendes Landwirtschaftsprojekt in der Freistaatprovinz verwickelt gewesen zu sein. Den Vorwürfen geht derzeit auch eine Untersuchungskommission nach, deren Erkenntnisse erst seit kurzem durch ein Dekret Ramaphosas auch von der Staatsanwaltschaft benützt werden dürfen. Magashule muss auch in diesem Fall noch mit einer Anklage rechnen.

Die jüngsten Entwicklungen werden den ANC auf eine Zerreißprobe stellen, weil die Parteiführung Ende August einen Beschluss gefasst hat, wonach unter Anklage gestellte Funktionäre ihre Ämter ruhen lassen müssen. Zahlreiche Amtsträger halten sich allerdings nicht an den Beschluss – und wurden bislang von Magashule in ihrem Boykott geschützt. Nichts deutet bisher darauf hin, dass der Generalsekretär sein Amt freiwillig ruhen lassen wird: Eine Entscheidung in dieser Frage wird von einer noch nicht anberaumten außerordentlichen Sitzung des rund 100-köpfigen Exekutivkomitees des ANC erwartet. Dort wird es nach Einschätzung von Insidern zu einer Machtprobe des reformerischen Ramaphosa-Flügels mit den Anhängern des gestürzten Ex-Präsidenten Zuma kommen. Vom Ausgang dieses Machtkampfs hängen sowohl die Zukunft der Präsidentschaft Ramaphosas wie das Schicksal zahlreicher Funktionäre ab, die sich – wie Magashule –vor Gericht zu verantworten haben. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 12.11.2020)