Unter anderem war Graz ein Einsatzort der Operation "Luxor" gegen die Muslimbruderschaft und Hamas in Österreich.

Foto: APA/ Erwin Scheriau

Nach und nach lichtet sich das Dunkel, wen die Behörden bei der Razzia im Umfeld der Muslimbruderschaft im Visier hatten. Es geht um Millionenbeträge, die sichergestellt oder auf Konten eingefroren wurden. Ob es sich wirklich um 25 Millionen Euro handelt, die noch dazu in bar aufgefunden worden seien, wie mehrere Medien gestern berichteten, dürfte allerdings noch unklar sein. Von den 70 Personen, gegen die ermittelt wird, befindet sich jedenfalls niemand in Untersuchungshaft.

Dem Vernehmen nach ermitteln die Behörden auch im Umfeld palästinensischer Verbindungen und Organisationen, die angeben, humanitär tätig zu sein. Offenbar vermutet man, dass diese über Umwege die Hamas unterstützen. Die Organisationen dürften untereinander eng verwoben sein. Zumindest zwei davon beziehungsweise ihre Vertreter tauchten schon in der Vergangenheit im Zuge von Ermittlungen auf. Ihnen wurde schon vor mehreren Jahren vorgeworfen, über Spendengelder die Hamas zu finanzieren, die Vereinskonten wurden daraufhin eingefroren. Es folgten jahrelange Ermittlungen. Der Vorwurf konnte jedoch nie vor Gericht erhärtet werden, die Verfahren wurden eingestellt.

Moschee im Visier

In sozialen Medien kursierte ein Video einer Frau, die von der Stürmung der Wohnung ihrer Familie durch die Polizei berichtet. Sie wirft den Beamten vor, unverhältnismäßig vorgegangen zu sein. "Wie sollen wir Liebe lehren, wenn uns was anderes gelehrt wird?", sagt sie im Video. Vor einigen Jahren organisierte sie eine Aktion in Wien, bei der Palästinenser von Personen, die als israelische Soldaten verkleidet waren, zu Boden geworfen und mit Spielzeugwaffen bedroht wurden.

Offenbar ebenfalls in den Blick der Behörden dürfte eine einschlägige Moschee im zweiten Bezirk in Wien geraten sein. Diese wird von einem Verein betrieben, dem schon lange ein Naheverhältnis zur Muslimbruderschaft nachgesagt wird. In einem Facebook-Posting wird der ehemalige ägyptische Präsident und Muslimbruder Mohamed Mursi als Märtyrer bezeichnet. Am 18. Juni 2019 fand offenbar auch ein erstes Totengebet für ihn statt.

Doch auch im Umfeld der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) fanden dem Vernehmen nach Razzien statt. Innerhalb der Glaubensgemeinschaft beteuert man aber, dass nur Personen einvernommen wurden, die vor dem Jahr 2016 eine Funktion in der IGGÖ hatten.

Abwarten auf Ergebnisse

Ins Blickfeld geraten ist jedenfalls die Liga Kultur, der man seit geraumer Zeit Verbindungen zur Muslimbruderschaft nachsagt. Zu ihren Gründern gehören die Brüder M. Der Ältere der beiden machte in einem Interview mit dem ägyptischen Fernsehsender EgyUro TV auch kein Hehl daraus, Muslimbruder zu sein. Als er darauf angesprochen wird, sagt er lapidar: "Korrekt." Die Trennung zwischen Staat und Religion tat er damit ab, dass das nur ein "Slogan in Europa" sei. Das Gespräch hat der Wissenschafter Lorenzo Vidino in einer Studie 2017 festgehalten.

Die Brüder M. waren aber auch im Umfeld der IGGÖ aktiv, etwa im Obersten Rat oder in der Islamischen Religionspädagogischen Akademie, die islamische Religionslehrer ausbildet.

Ebenfalls von der Razzia betroffen war die Stiftung von Ex-IGGÖ-Präsident Anas Schakfeh. Dieser wies in einem Interview mit der Presse bereits von sich, etwas mit den Muslimbrüdern zu tun zu haben.

Einvernommen wurde etwa auch eine Person aus dem Dunstkreis der IGGÖ. Zum Beispiel ein Politikwissenschafter, der für seine Islamophobie-Reports bekannt ist. Er trat etwa noch im Frühjahr 2019 bei einer Fachtagung der Glaubensgemeinschaft auf. Damals ging es um den Begriff "Politischer Islam", den die IGGÖ ablehnt.

Innerhalb der Religionsvertretung zeigt man sich abwartend, was die Razzia anlangt. Man könne schwer über eine Gesinnung, sondern mehr über Handlungen entscheiden. (Vanessa Gaigg Jan Michael Marchart, 13.11.2020)