Besonders Nager haben sich im ersten Lockdown wohlgefühlt – und entsprechend ausgebreitet.

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Die Corona-Pandemie und der erste Lockdown im Frühjahr waren nicht für alle schlecht: Auf Industriearealen, die plötzlich weniger genutzt wurden, oder in manchen Gaststätten, die vorübergehend zusperrten, machten sich Ratten breit, weil sie nicht mehr von Menschen gestört wurden. Sie fraßen sich durch Dehnfugen, kamen durch den Kanal oder fanden andere Wege ins Gebäude. "Gewisse Befälle wurden nicht gleich bemerkt", erzählt Rainer Barath vom Schädlingsbekämpfer Anticimex und fügt hinzu: "Teilweise waren das Horrorszenarien."

Der Nagerbefall ist auch statistisch nachweisbar: Auf privaten Arealen, aber auch im Auftrag mancher Städte und Kommunen in Deutschland und Österreich installiert Anticimex elektrische Rattenfallen in der Kanalisation. Dort habe sich gezeigt, dass im März und April mehr Nager unterwegs waren.

Das Problem sei in vielen Fällen das Fehlen regelmäßiger Kontrollen gewesen, sagt Barath. Dadurch hätten sich Nager rasch ausbreiten können. Und nicht nur sie: "Da und dort" seien aus dem Kanal auch andere, nicht weniger gefürchtete Tierchen gekrochen, nämlich Küchenschaben. Auch sie breiten sich schnell aus und sind schwer loszuwerden.

Von Hütte zu Hütte

Noch ein zweites Einsatzgebiet hatte die Branche im Sommer. Heuer boomte der Bergtourismus. Die Kehrseite der Medaille: So wurden Bettwanzen von Hütte zu Hütte geschleppt. Die fünf Millimeter kleinen Blutsauger hinterlassen juckende Bissspuren, die meist erst in der Früh entdeckt werden. Zu dem Zeitpunkt sind sie oft schon ins Gepäck gekrabbelt – und reisen unbemerkt mit. Über Bettwanzenbefall klagen Hüttenwirte schon länger. Heuer sei es aber extrem gewesen, sagt Barath. Manche Hütten hätten beim Eingang schon Schleusen, in denen verschwitzte Kleidung, die auf die Bettwanzen anziehend wirkt, aufgehängt wird.

Bettwanzen sind ein Worst-Case-Szenario, besonders in Hütten. Denn die "Tiroler Bauweise" mit viel Holz bietet Fugen und Ritzen, in die sich die Tierchen zurückziehen können, so Barath. Das macht die Bekämpfung so schwierig. Bei mehrtägigen Aufenthalten auf Hütten hätten Mitarbeiter mit der Lupe arbeiten müssen, um Bettwanzen und ihre Eier zu finden. Die Nachkontrolle erfolgte mit Hunden, die Bettwanzen erschnüffeln können.

Andere konnten dafür heuer aufatmen. Christoph Kohsem vom Wiener Schädlingsbekämpfer Purissima hat einen Rückgang der Anfragen zu Bettwanzen aus Hotels und Privatwohnungen bemerkt. Hier mache sich wohl bemerkbar, dass weniger gereist wurde. Selbiges beobachtet Kohsem auch mit Kakerlaken, die gern unbemerkt aus dem Urlaub mitgenommen werden.

Mehr zuhause

Generell hätten Privatpersonen aber zuletzt mehr an ihre Hausverwaltungen gemeldet bzw. gleich selbst beim Schädlingsbekämpfer angerufen, "wahrscheinlich weil sie mehr zu Hause waren". Im Frühjahr sei es oft um Wespen auf der Terrasse oder auf dem Balkon gegangen. Im Herbst gebe es stets gehäuft Anfragen zu harmlosen Waldschaben, die Kakerlaken ähneln. Auch Blattwanzen suchen nun Platz zum Überwintern und nisten sich gern in Wohnungen ein. Das Problem: Werden sie entdeckt und will man sie entfernen, beginnen sie zu stinken.

Ein größeres Problem als in den Tieren sieht Kohsem aber in Menschen, die sich gegenüber seinen Mitarbeitern rücksichtslos verhalten: "Teilweise sagen uns Kunden nicht, dass sie in Quarantäne sind, weil sie wollen, dass wir die Viecher entfernen", erzählt er. Oft würden Kunden nicht einmal Masken tragen. "Ich befürchte jeden Tag, dass sich ein Mitarbeiter ansteckt."

Generell sei die Terminvereinbarung jetzt leichter, weil die Menschen mehr zu Hause sind. Dafür seien viele merklich angespannt. Oft ist der Anruf beim Schädlingsbekämpfer mit einem Stigma verbunden. Daher haben viele Anbieter auch keine Aufschriften auf ihren Lieferwägen und sind inkognito unterwegs. "Dabei kann es sogar den blitzsaubersten Haushalt treffen", sagt der Experte.

Anderswo werde weitaus offener mit dem Thema umgegangen, erzählt sein Kollege Rainer Barath: "In Spanien und den USA kommt der Schädlingsbekämpfer mit einer wackelnden Kakerlake auf dem Firmenauto." (Franziska Zoidl, 15.11.2020)