(Altbauwohnung in Wien. An einem Tisch der fünfjährige Noah und seine Großmutter, ein Puzzle legend.)

NOAH (schüchtern): Omer? Ich möchte gern etwas sa- –

GROSSMUTTER: Oma, Noah, Oma! Es ist sehr lobenswert, dass du dich bemühst, richtig zu sprechen, aber bei "Oma" stimmt schon das A, das ist nicht wie bei "Mutter" oder "Vater", wo viele Menschen so grauslich sagen "Mutta" oder "Vata". "Oma", das heißt so viel wie "Großmama", weißt du, und du sagst ja auch "Mama" und nicht "Mamer", gell? "Ma mère", das wäre ja Französisch, da heißt das "meine Mutter", und zu "Mama" sagen sie dort "Maman", aber, na ja, das musst du noch nicht wissen, das wirst du erst später am Lycée lernen. Also, wie heißt es richtig?

Opa oder Oper?
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

NOAH: Oma.

GROSSMUTTER: Genau. Und, was willst du?

NOAH: Ich möchte gern etwas sagen.

GROSSMUTTER: Na, dann sag es!

NOAH: Ich traue mich nicht, weil die Mama sagt eigentlich, ich darf sowas nicht sagen, aber der Oper hat mir –

GROSSMUTTER: Opa, Noah, Opa heißt das! Das ist wie mit der Oma. Oper ist etwas ganz anderes. Weißt du, was Opern sind?

NOAH: Meine zwei Opern sind der Willi-Opa und der Ernstl-Opa.

GROSSMUTTER: Nein nein nein nein. Das sind deine Opas! Opern, das sind Musikwerke, gell, vom Mozart und vom Verdi und so weiter. Kennst du den Mozart?

NOAH (ungeduldig): Nein. Aber ich möchte jetzt bitte etwas sagen, weil der Opa hat nämlich gesagt, ich darf es schon sagen, auch wenn es die Mama nicht will, weil es ist ein mutiges Wort gegen die Bösen und Mörder und zeigt, dass wir Wiener gute Menschen sind.

GROSSMUTTER: Aha. Und was ist das, was du mir sagen willst?

NOAH: Schleich di, du Oaschloch!

(Vorhang)

Material: Karl Fluch – "Das Gefühl einer Stadt: 'Schleich di, du Oaschloch!‘", DER STANDARD, 4. 11. 2020

(Antonio Fian, 13.11.2020)