Auf der Wiener Mariahilfer Straße lockten vor allem die Rabatte von Schuhändlern viele Konsumenten an.

Foto: STANDARD/Christian Fischer

"Warum schließen wir den Handel jetzt? Warum nicht schon vor drei Wochen?", fragen sich Unternehmer auf der Mariahilfer Straße, die ihr Weihnachtsgeschäft unter den Fingern wegrinnen sehen. Die Stimmung ist quer durch die Branchen düster. Das Vertrauen manch Unternehmer in die versprochenen Hilfen der Regierung ist zudem gering. "80 Prozent Umsatzentschädigung wären fair. Aber wer soll das bezahlen?"

Viele Konsumenten sehen es pragmatischer. Von Verständnis für die harten Maßnahmen angesichts der steigenden Infektionszahlen ist die Rede. Aber auch davon, dass sie während des Lockdowns auf Onlinehändler ausweichen werden: Das Getümmel in den Wochen vor den Feiertagen werde man sich in stationären Geschäften nicht antun, so der Tenor bei einem Lokalaugenschein.

Samstagseinkauf in Wien.
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Am Samstag schreckte dies freilich nur wenige ab. Österreichs größte Einkaufsstraße zieht seit dem frühen Vormittag Massen an Kunden an. Vor Händlern, die mit hohen Rabatten Ware losschlagen wollen, bilden sich über mehrere Häuserblocks hinweg Menschenschlangen.

"Am Montag wird es noch ärger"

In ganz Österreich herrschte am Samstag großer Andrang. In Wien etwa im Einkaufszentrum Q19. Vor den Liften bildeten sich Schlangen mit prall gefüllten Einkaufswägen. Auch in den Geschäften war die Frequenz hoch. "Seit gestern ist es wirklich arg", so ein Verkäufer in einem Sportgeschäft. Und auf Nachfrage: "Die Menschen sind sehr aggressiv. Die Stimmung ist wirklich seltsam". "Am Montag wird es noch ärger", erwartet ein anderer Verkäufer.

Auch bei den Arbeitgebern ist die Stimmung angespannt. "Für unsere Branche ist der harte Lockdown das Worst Case Szenario. November und Dezember sind die beiden umsatzstärksten, wichtigsten Monate des Geschäftsjahres. Pro Lockdown-Woche rechnen wir im Non-Food Handel mit einem Umsatzausfall von mindestens 900 Millionen Euro", rechnete der Handelsverband heute in einer Aussendung vor.

Im Burgenland zog Andrea Gottweis von der Wirtschaftskammer Bilanz. Der bevorstehende Lockdown habe dem Handel keine Hamsterkäufe, sehr wohl aber ein vermehrtes Kundenaufkommen beschert, vor allem in den Lebensmittelgeschäften. Diesen Eindruck hatte man auch im Designer Outlet in Parndorf (Bezirk Neusiedl am See). Die Parkplätze seien zum ersten Mal seit langem wieder beinahe voll gewesen, berichtete der Manager eines Modegeschäfts.

Lage in Oberösterreich und Kärnten

Die Oberösterreicher haben offenbar aus dem letzten Lockdown gelernt: Während sich der Ansturm auf Supermärkte in Grenzen hielt bzw. einem normalen Samstagvormittag entsprach, war vor Bau-, Einrichtungs- und Elektromärkten reger Betrieb, wie ein nicht repräsentativer Lokalaugenschein der APA ergab. Man deckte sich für die nächsten Wochen mit Heimwerkerzubehör ein und kaufte – etwas früher als in normalen Jahren – Advent-Dekoration.

Den Samstag haben auch viele Kärntner und Steirer mit Shopping verbracht. Die Innenstädte und Einkaufszentren waren gut besucht, vielerorts boten Händler Rabatte an, vor kleineren Geschäften bildeten sich wegen Corona-Einlassbeschränkungen fallweise Schlangen. In der Grazer Innenstadt war am Vormittag sehr viel los, war bei einem APA-Lokalaugenschein ersichtlich. In einer großen Buchhandlung bildeten sich vor sämtlichen Kassen lange Schlangen wie sonst nur kurz vor Weihnachten.

Grazer Supermarkt "fast gestürmt"

In einem großen Supermarkt in Graz war am Vormittag ein für einen Samstag üblicher Andrang ersichtlich. "Fast gestürmt" wurden laut Gerhard Wohlmuth, Spartenobmann Handel der steirischen Wirtschaftskammer, vor allem der Lebensmittelhandel. "Es wurden wieder verstärkt Vorräte angelegt, was verwunderlich ist, weil der Lebensmittelhandel die Bevölkerung kontinuierlich versorgt." Auch in den Einkaufszentren war viel los, sagte Wohlmuth auf Anfrage. "Wir rechnen noch mit einem relativ starken Tag am Montag."

Auch in Salzburg hat der anstehende Lockdown viele Kunden in die Geschäfte getrieben. Die längsten Schlangen bildeten sich dabei vor den Kassen großer Baumarktketten, auch die Parkplätze waren voll. "Das ist aber an anderen Samstagen oft auch so", relativierte ein Bauhaus-Mitarbeiter bei einem APA-Lokalaugenschein. Christoph Andexlinger, Geschäftsführer des Einkaufszentrums Europapark, berichtet indes von einem stärkeren Samstag als üblich. "Einige Händler im Haus haben in Reaktion auf die Ankündigung des Lockdowns mit massiven Rabatten begonnen und das auch beworben." Er kritisiert auch die Regierung. Die für 16:30 Uhr angesetzte Pressekonferenz, die das ganze Land betreffe, habe die Öffnungszeit, in der die Kunden kommen, noch einmal zusammengequetscht. "Das ist ungeschickt und unüberlegt".

Rabatte locken auch im Westen

Vorarlbergs größtes Einkaufszentrum – der Messepark in Dornbirn – von der Früh weg äußerst gut besucht, im Innsbrucker DEZ fing der Vormittag "belebt" an – mit einer weiteren Steigerung wurde gerechnet. Schon am Freitag war das DEZ "voll" gewesen.

Wie ein Lokalaugenschein im Messepark zeigte, drängten sich die Besucherströme durch die Gänge, im Lebensmittelhandel waren die Einkaufswägen gefüllt. Auf spezielle Waren – Stichwort: Toilettenpapier – hatten es die Messepark-Besucher dabei aber nicht abgesehen. Zur sehr starken Frequenz dürfte auch beigetragen haben, dass manche Geschäfte mit hohen Rabatten lockten.

Im DEZ war am Vormittag gegen 11.00 Uhr zwar "noch nicht die Hölle los", das Einkaufsgeschehen wurde auf APA-Anfrage aber als "belebt" beschrieben. Am späten Vormittag und am Nachmittag würden noch deutlich mehr Leute kommen. Bereits der Freitag hatte sich als ganz starker Einkaufstag entpuppt. "Die Leute geraten in Stress, weil sie nicht wissen, was auf sie zukommt", hieß es. So würden viele noch die Gelegenheit zum Einkaufen – manche auch im Hinblick auf Weihnachten – nutzen. (Verena Kainrath, APA, 14.11.2020)