Ein Bild vom letzten Einkaufssamstag vor dem zweiten Total-Lockdown.

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Bald werden die Straßen wieder fast leer und die Geschäfte verwaist sein. Die Kinder sollen möglichst zuhause lernen; auch die anderen nur nach draußen gehen, wenn es unbedingt sein muss. Es wird der Frust wachsen und Einsamkeit um sich greifen. Die Pandemie war nie weg, aber jetzt hat sie sich mit voller Wucht zurück in unser Leben katapultiert. Der Lockdown ist wieder da.

Die Regierung hat ihn sanft eingeleitet, sie hat es mit geschlossenen Bars und Wirtshäusern ohne sitzenden Gästen versucht. Viel gebracht hat das vorerst nicht. Nun wird nachgeschärft: Handel zu, Fernunterricht für alle, Ausgangsbeschränkungen Tag und Nacht.

Fragen stellen sich unzählige: Ist der zweite harte Lockdown der richtige Weg? Wenn ja, kommt er zu spät? Hat die Regierung im Sommer genug getan, um das Land für den Herbst zu rüsten? Kann unsere Wirtschaft das schaffen? Hat Türkis-Grün versagt?

Das Problem ist: Es gibt auf all diese legitimen Fragen kaum klare Antworten. Österreich beherbergt tausende Hobby-Virologen, ein paar Dutzend wahre Experten, einen Kanzler und seinen Koalitionspartner – alle haben Ideen, Interessen und Vorstellungen, selten stimmen sie überein.

Der Grund dafür ist denkbar simpel: Wir befinden uns inmitten einer Situation, in der es die eine richtige Antwort nicht gibt. In jedem Detail stecken so viele Abwägungen. Distance Learning funktioniert nicht immer und schon gar nicht überall gut, der geschlossene Handel schadet der heimischen Wirtschaft, Ausgangsbeschränkungen konterkarieren unsere Freiheitsrechte. Doch ohne harte Maßnahmen droht dem Gesundheitssystem der Kollaps. Das lässt sich derzeit beobachten.

Man kann der türkis-grünen Regierung einiges vorwerfen. Sie hat die Österreicherinnen und Österreicher im ersten Lockdown zur Unselbstständigkeit erzogen – sie hat von oben herab den Weg vorgegeben und das mit Maßnahmen, die teilweise rechtswidrig waren. Die Regierung hat es bis heute nicht geschafft, einheitliche Zahlen und Daten herauszugeben. Die Regierung hat wirr kommuniziert, sie ist in sich zerstritten bei wesentlichen Punkten. ÖVP und Grüne haben Fehler gemacht, zweifelsfrei.

Eines kann man der Regierung aber gewiss nicht unterstellen: dass sie diese Krise nicht lösen möchte.

Die Situation in Österreich ist im internationalen Vergleich dramatisch. Viele andere Länder stehen deutlich besser da. Das mag daran liegen, dass die Politik andernorts zur richtigen Zeit konsequenter entschieden hat. Fest steht aber auch: Uns als Gesellschaft fehlt das Rüstzeug zur Bewältigung einer Pandemie.

Während die Regierungsspitze den harten Lockdown verkündet, stehen die Menschen im Baumarkt Schlange, die Einkaufszentren waren voll. Über den Sommer haben sich die meisten treiben lassen und den Ernst der Lage verdrängt.

Offenbar handeln viele unvernünftig. Dabei hätte man auch ohne Lockdown die Garagenparty auslassen können, Kontakte reduzieren, solidarisch sein. Und gibt es Regeln, müssen sie befolgt werden, um Wirkung zu entfalten.

In der Analyse der irgendwann überstandenen Krise wird man die Regierung in die Pflicht nehmen. Aber wir sitzen alle im selben Boot und können rudern. Wenn wir schließlich sagen müssen, dass Österreich in der Bekämpfung von Covid versagt hat, muss man ehrlich sein: Dann sind wir alle gescheitert. (Katharina Mittelstaedt, 14.11.2020)