Der Ort des Terroranschlags in Wien, ist ein Ort der Trauer.

Foto: sum

Unmittelbar nach dem islamistischen Anschlag in Wien am 2. November legten sie im Netz los. Rechtsextreme veröffentlichten auf den von ihnen genutzten Online-Plattformen echte und falsche Fotos des Attentäters, Videos von der Tat und falsche Informationen. Hauptsächlich um Stimmung zu machen, zu radikalisieren und zu aktivieren. Gegen Muslime und die vermeintlich Verantwortlichen eines angeblichen "Bevölkerungsaustauschs". Auffällig war, dass sie ihre teilweise sehr reichweitenstarken Social-Media-Accounts nicht dafür nutzen, andere Menschen vor möglichen weiteren Attentätern zu warnen.

Attentäter wollte dies Bilder

Zeitgleich wurden Personen auf Twitter und anderen Plattformen beflegelt und beschimpft, die sich gegen die Veröffentlichung von Videos vom Anschlag und von Fotos des Attentäters aussprachen. Diese tauchten rasch im Netz auf und wurden auch von Boulevardmedien gesendet beziehungsweise auf ihren Onlineseiten gezeigt. Gegen eine Veröffentlichung spricht, dass es wohl kein Zufall war, dass der Attentäter vor den gut sichtbaren Überwachungskameras der Wiener Synagoge auf und ab lief. Auch passt dazu, dass er vor seiner Tat auf seinem Instagram-Account ein martialisches Foto postete, das ihn mit Waffen zeigte, die er später bei dem Anschlag verwendete. So wollte er der Nachwelt in Erinnerung bleiben.

Mit diesen Argumenten fingen Rechtsextreme nichts an. Auch nicht, dass die Polizei darum gebeten hat, keine Fotos und Videos zu veröffentlichen, um den Einsatz und ihre Beamten und Beamtinnen nicht zu gefährden. Ihnen ging es darum, Stimmung zu machen. Dazu passt, dass auch die Verschwörungserzählung die Runde machte, es handle sich bei dem Terroranschlag um eine "False-Flag-Aktion", also um eine bewusste Verschleierung der Identität und der Absichten angeblicher Hintermänner.

"Linker und islamischer Terror"

So erklärte der Idenititären-Chef Martin Sellner auf Telegram: "Linker und islamischer Terror arbeiten zusammen und dienen dem Bevölkerungsaustausch. Beides wird von den Globalisten geduldet, indem die Wurzel und Brutstätten nicht angegriffen werden." Behauptungen, die allesamt aus der Luft gegriffen sind, aber in seinem Milieu ankommen. Schließlich ist die Verschwörungserzählung von einem geheimen Plan, die weiße Mehrheitsbevölkerungen gegen muslimische oder nicht-weiße Einwanderer auszutauschen, der Schwerpunkte rechtsextremer Propaganda und Agitation.

Neonazis reden nicht von "Globalisten"

Der harte Kern der österreichischen Neonazi-Szene hingegen verwendet keine Umschreibung wie "Globalisten". In einem vor wenigen Tagen auf Telegram veröffentlichen Video erklären sie Juden und Jüdinnen, wie George Soros, zu den Profiteuren des Anschlags. Der 1930 in Ungarn geborene Shoah-Überlebende hat sich durch seinen Einsatz für Menschenrechte und für als links verortete Gesellschaftsideale weltweit Feinde gemacht. Der Philanthrop und Investor gilt Antisemiten sämtlicher Schattierungen als Feindbild.

Einschusslöcher im Gebäude Wiener Hauptsynagoge.
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In altbekannter antisemitischer Manier wird in dem Video Bundeskanzler Sebastian Kurz als Marionette dargestellt, die dabei hilft, die Bevölkerung austauschen.

Das Video ist besonders perfide, da der Anschlag im Umfeld der Wiener Hauptsynagoge stattfand. Vermutlich nicht zufällig. Die Neonazis sammeln sich um mehrfach einschlägig vorbestrafte Personen.

Rechtsextreme Demo wurde ausgebuht und blockiert

Die Offline-Aktivitäten der Rechtsextremisten in den vergangenen Tagen waren spärlich besucht. Eine Demonstration von Sellner und seiner Gruppierung wurde von Antifaschisten und Antifaschistinnen zuerst ausgebuht und dann blockiert.

Für Schlagzeilen sorgte hingegen ein Rechtsextremer, der am vergangenen Sonntag mit einem Transporter durch Wien fuhr und dabei Gewehrsalven und islamische Gebete via Lautsprecher abspielte. Die Aktion fand breite Ablehnung seitens der Politik und der Einwohner Wiens. Das Auto ging tags darauf in Flammen auf. (sum, 15.11.2020)